Inhalte dieser Aktion sowie weitere Informationen und Empfehlungen haben wir 2019 auch als Broschüre herausgegeben: Mein Beruf: Pflegen
Seit 2015 gibt es das Manifest der Pflegeberufe des DBfK. Viele werden es kennen. Wir haben zur Einführung und Verbreitung vor drei Jahren dazu eine mehrmonatige Initiative durchgeführt. Die großformatigen Poster mit den eingängig formulierten Statements hingen (oder hängen vielleicht auch heute noch) in vielen Einrichtungen, Kliniken und Pflegediensten. Es wurden Tage der offenen Tür damit gestaltet, Appelle an Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker gerichtet. Mit der zugehörigen Postkartenreihe haben wir die beruflich Pflegenden erreicht und darüber hinaus auch weite Teile der Bevölkerung.
Zu wenig - zumindest aus der Perspektive der beruflichen Pflege betrachtet. Diejenigen, die in ihrem Beruf kranke und alte Menschen pflegen und versorgen sollen, wurden bei den umfassenden Pflegereformen der vergangenen Legislaturperiode außer Acht gelassen bzw. sträflich vernachlässigt. Dabei ist die Arbeitssituation in der Pflege höchst problematisch und angespannt, jeder weiß das. Viel zu viel Arbeit muss von immer weniger Pflegefachpersonen geleistet werden, der Krankenstand ist hoch, Fluktuation und Berufsflucht steigen, das Image des Pflegeberufs sinkt stetig und kaum jemand erreicht in dieser Branche ein reguläres Renteneintrittsalter.
Die Pflegezukunft sieht somit düster aus, zumal der Bedarf an professioneller Pflege ständig steigt und schon längst nicht mehr gedeckt werden kann.
Für diese Fehlentwicklungen gibt es viele Gründe und Verantwortliche, der DBfK hat seit Jahren immer wieder und sehr deutlich auf die sich abzeichnenden Probleme hingewiesen. Lange hat es gedauert, bis die Bundesregierung Pflege auf ihre Agenda setzte – wichtige Zeit ist dabei verstrichen. Fast zu spät und viel zu langsam wird den Verantwortlichen in Politik und auf Arbeitgeberseite die Brisanz der Probleme bewusst – von echten Lösungsansätzen sind sie allerdings noch immer weit entfernt.
Wir haben uns entschlossen, drei der sechs Statements des Manifests in den Monaten Oktober, November und Dezember 2018 noch einmal aufzugreifen und inhaltlich zu vertiefen. Wir setzen darauf, dass die Zeit nun endlich reif ist für spürbare und nachhaltige Verbesserungen.
Es könnte die letzte Gelegenheit sein - wir wollen, dass alle Verantwortlichen sie ernsthaft nutzen!
Ausführliche Positionen zu den Forderungen:
Positionspapier zum Erhalt der Pflegefachkraftquote im SGB-XI-Bereich (DBfK)
Betriebliche Gesundheit und Sicherheit (ICN)
Sichere Personalbemessung (ICN)
Position zur Personalbemessung in der stationären Altenpflege (DBfK)
Position zur Sicherung der Hygienestandards in Krankenhäusern (DBfK)
Positionspapier zur Anwerbung und Bindung von Pflegefachpersonal (EFN)
Im September 2018 erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einem Interview, zur Lösung des Pflegefachkräftemangels müssten die Beschäftigten in der Pflege zur Mehrarbeit bewegt werden. Darüber hinaus betonte er, am Geld alleine liege es nicht, dass es zu wenige Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt gäbe. Auch die Organisation der Arbeit sei verbesserungsfähig: „Faire Schichtpläne, verlässliche Arbeitszeiten, auch mal drei, vier freie Tage am Stück. Derzeit ist die Pflege der am wenigsten planbare Beruf, den es gibt.“
Nun kann wirklich niemand für sich beanspruchen, dass dies eine neue Erkenntnis sei, auch der Minister nicht. Mehrere seiner Vorgänger hätten hierzu bereits Handlungsbedarf erkennen und Veränderungen zum Positiven einleiten können und müssen. Die Probleme haben eine lange Vorgeschichte und zahlreiche Ursachen. Während die Arbeitgeberseite argumentiert, man würde ja gern Fachkräfte einstellen, wenn der Bewerbermarkt dies nur hergebe bzw. das Personal vollständig refinanziert würde, hat die Politik zu verantworten, die falschen Anreize gesetzt und bisher nicht korrigiert zu haben.
Heute zählt im deutschen Gesundheitswesen nicht, was der pflegebedürftige Mensch braucht und was ihm nützen kann, sondern wie man am meisten an ihm verdient. Die Folgen dieses „Wertewandels“ treffen hilfesuchende Menschen und Beschäftigte in der Pflege gravierend: Versorgungsmängel und -risiken haben enorm zugenommen, trotz Arbeit im Dauerlauf können die chronisch überlasteten Mitarbeiter/innen ihren Pflegeaufgaben längst nicht mehr gerecht werden. Geltendes Arbeitsrecht wird vielfach missachtet, kurzfristige Dienstplanänderungen, das Holen aus dem Frei bzw. Urlaub sowie zahllose bezahlte wie unbezahlte Überstunden sind zur Normalität geworden. Doch all das ruiniert die Gesundheit und die Motivation der Pflegefachpersonen und schreckt junge Menschen von diesem Beruf ab.
Diese Bedingungen sind nicht tragbar, beruflich Pflegende können und müssen sie nicht hinnehmen. Auch wenn sie in vielen Einrichtungen als normal erscheinen, können sie nicht der Normalzustand sein - vor allem in Zeiten des Pflege-Fachkräftemangels. Deshalb brauchen Pflegefachpersonen Informationen über ihre Rechte als Arbeitnehmer und wie sie diese durchsetzen können. Der DBfK steht hier seinen Mitgliedern als verlässlicher Berater zur Seite.
Wir greifen in diesem Monat mit den Themen Dienstplan und Arbeitszeit u.a. auch Elemente der erfolgreichen DBfK-Aktion „Mein Recht auf Frei“ aus 2016 noch einmal auf. Deren Inhalte und Forderungen haben sich noch immer nicht erledigt. Ganz im Gegenteil: Sie sind nach wie vor top aktuell.
NEIN! Dienstverpflichtung ist ein militärischer Begriff, der im privaten Arbeitsrecht nicht gilt. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt nicht in der Freizeit des Arbeitnehmers. Wenn ein/e Mitarbeiter/in im Frei angerufen wird und einspringen soll, kann das nur als Bitte, nicht als Anordnung erfolgen. Ein NEIN muss der/die Gefragte auch nicht begründen.
Der Arbeitgeber hat nach § 106 Gewerbeordnung das Weisungsrecht, über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Wird die Arbeit durch einen Dienstplan geregelt, hat der Arbeitgeber mit Bekanntgabe des Dienstplans dieses Weisungsrecht wirksam ausgeübt. Das heißt, nach Bekanntgabe des Dienstplans sind Veränderungen nur noch mit Einverständnis des Arbeitnehmers möglich. Ein spontanes Wegschicken nach Dienstantritt, um Sie für ein paar Stunden später wieder
einzubestellen, entspricht nicht billigem Ermessen.
Selbst bei Abrufmitarbeitern muss ein Einsatz vier Tage im Voraus angekündigt werden. Da strukturelle Personalknappheit kein allgemeiner ziviler Katastrophenfall ist, sondern zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehört, kann hier niemand dienstverpflichtet werden.
§ 3 Arbeitszeitgesetz begrenzt die Arbeitszeit an einem Werktag auf höchstens 10 Stunden. Eine solche Doppelschicht ist demnach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen den Arbeitsschutz, der mit Bußgeld oder sogar Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Ein Notfall liegt bei kurzfristigem Personalausfall nicht vor. Das bedeutet, dass Sie nach 10 Stunden Arbeitszeit gehen könnten, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Natürlich müssen aber die PatientInnen versorgt sein, dafür hat die PDL zu sorgen.
Sie könnten also genau das ankündigen: Dass Sie weiterarbeiten, aber nur bis zum Erreichen der 10 Stunden. Bis dahin muss die PDL eine Lösung gefunden haben. Und wenn sie selbst bleibt.
Das Gewerbeaufsichtsamt ist für den Arbeitsschutz zuständig. Sie können dort die Verstöße melden. Das Amt würde dann eine Anlassprüfung in Ihrem Haus durchführen, immerhin ein Warnschuss und höchst unangenehm für die Leitung. Ihr Name wird vom Amt nicht bekannt gegeben.
Der Spätdienst endet regulär um 20 Uhr, den zusätzlichen Nachtdienst lehnt die Mitarbeiterin mit vollem Recht ab. Daraufhin teilte die anrufende Kollegin mit, dass der Spätdienst eine Dienstanweisung bekäme, wenn er nicht einspringen würde.
Noch mal ganz deutlich: Eine Dienstanweisung kann nicht durch Kollegen und nicht in der Freizeit erfolgen. Dennoch berichten Pflegende häufig darüber, dass sie von Kolleg/innen aufgefordert werden, außerhalb der im Dienstplan vorgesehenen Dienste weitere Schichten zu übernehmen.
In diesem Fall hat die Pflegefachperson des Spätdienstes ab 20 Uhr frei, denn sie hat bereits einen kompletten Dienst geleistet. Es liegt hier auch kein Notfall im Sinne des Gesetzes vor. Es ist die Aufgabe der Unternehmensleitung, Vorsorge für kurzfristigen Personalausfall zu treffen.
Die OP-Pflegeleitung möchte die Zuschläge für Rufbereitschaft einsparen. Mitarbeiter sollen sich im Frei bereithalten, bei eventuellen Personalausfällen oder vermehrtem Arbeitsanfall gerufen zu werden und die Unterdeckung kurzfristig abzufedern.
Eine solche Personalreserve von Mitarbeiter/innen, die sich laut Dienstplan regulär im Frei befinden, ist nicht zulässig. Auch wenn Rufbereitschaft zur Ruhezeit zählt, ist der/die Mitarbeiter/in dennoch an gewisse Verhaltensweisen gebunden und kann seine/ihre Freizeit nicht frei für sich gestalten und nutzen.
Dass der Arbeitgeber die Postadresse kennt, liegt auch im Interesse des Arbeitnehmers. Schließlich werden auf diesem Weg wichtige Unterlagen (Gehaltsabrechnung, Nachweis für die Sozialversicherung usw.) versendet. Ans Telefon gehen müssen
Mitarbeiter/innen aber nicht, wenn sie im Frei oder Urlaub vom Vorgesetzten oder Kollegen angerufen werden. Grundsätzlich müssen Beschäftigte ihre Kontaktdaten, vor allem Telefonnummer und private E-Mailadresse, auch nicht im Betrieb hinterlegen.
Hier kommt häufig der Einwand: Pflegefachpersonen müssen im Katastrophenfall alarmiert werden können. Das „Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes“ verpflichtet im § 22 Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung, ihre
Leistungsfähigkeit auf die Anforderungen im Verteidigungs- bzw. Katastrophenfall einzurichten und ggfs. zur Verfügung zu stellen. Näheres wird durch Landesgesetze geregelt.
Das heißt: Der Zugriff des Arbeitgebers auf die privaten Kontaktdaten des Arbeitnehmers ist klar auf den echten Notfall begrenzt, Personalengpässe beim Arbeitgeber sind KEIN NOTFALL.
Grundsätzlich: Überstunden müssen nur dann geleistet werden, wenn sie in einem Arbeits- oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung schriftlich vereinbart wurden. Ist das nicht der Fall, muss der Arbeitnehmer nicht länger als die vertraglich vereinbarte
Zeit arbeiten. Der Arbeitgeber ist nicht allein aufgrund seines Direktionsrechts berechtigt, Überstunden anzuordnen.
Ausnahme: In Not- und Katastrophenfällen können Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet werden. Aber vorauszusehende oder bewusst herbeigeführte Personalengpässe bzw. immer wieder einmal auftretende Arbeitsspitzen gelten nicht als Notfall und reichen deshalb nicht als Begründung.
Die Überstundenbelastung trifft Sie und Ihre MitarbeiterInnen in den jeweils individuellen Arbeitsverhältnissen. Jeder, der die Situation so nicht länger einfach hinnehmen kann und will, sollte das Gespräch mit der Pflegeleitung suchen oder dies schriftlich dort vorbringen.
Es sollte dargelegt werden, dass man eine Perspektive genannt bekommen möchte, wann und wie die angesammelten Überstunden abgegolten oder vergütet werden. Jede/r einzelne Beschäftigte muss selbst erklären, dass er/sie nicht bereit ist, weitere Überstunden zu erbringen, ehe die bereits angesammelten nicht abgebaut wurden.
Wichtig ist auch, den Betriebsrat über die Situation zu informieren. Als Leitung sollten Sie darüber hinaus auch mit den Folgen argumentieren. Der Arbeitgeber verbraucht ja mehr Arbeitszeit als er bei seinen Mitarbeitern per Arbeitsvertrag „eingekauft“ hat. Das hat auf Dauer gravierende Auswirkungen: Die Beschäftigten sind überbelastet und erschöpft, Krankheitsausfälle und Fehlerquote steigen an, die Motivation sinkt - eine Spirale nach unten, die weitere Probleme schafft.
Die Pflegedienstleitung eines Heims soll auf Anweisung der Geschäftsführung Pflegepersonal einsparen. Der Betriebsrat lässt sich jede kurzfristige Dienstplanänderung zur Genehmigung vorlegen, achtet auf Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze und Begrenzung der Überstunden. Eben dies sind auch die gesetzlich übertragenen Aufgaben eines Betriebsrates - und in diesem Fall nimmt er sie sehr sorgfältig wahr.
Das ist für das Management zwar nicht bequem, muss aber hingenommen werden. Eine PDL muss den Spagat zwischen Einhaltung der geschäftlichen Vorgaben und Sicherstellung einer funktionierenden Dienstplangestaltung leisten und aushalten.
Wir haben hier keinen Arbeitsplatz mit Abrufarbeit nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Aber selbst bei Abrufarbeit muss der Einsatz mindestens vier Tage im Voraus bekannt gegeben werden. Der Arbeitgeber ist sich zwar bewusst, dass Mitarbeitende bei laufendem Dienstplan an ihren freien Tagen private Pläne haben könnten. Er nimmt sich jedoch das Recht, nachzufragen, warum der/die Mitarbeiter/in
nicht innerhalb von 24 Stunden zum geänderten Dienst erscheinen kann und will.
Das steht ihm nicht zu, da der/die Mitarbeiter/in in seiner/ihrer Freizeit tun und lassen kann, was er/sie möchte und sich nicht rechtfertigen muss. Die Übernahme eines kurzfristigen Dienstes kann die/der Arbeitnehmer/in ablehnen, eine entsprechende Verpflichtung im Arbeitsvertrag wäre unwirksam.
Nein. Zwar ist der Arbeitgeber durch das Direktionsrecht berechtigt, die Lage der Arbeitszeit mit Hilfe eines Dienstplanes festzulegen. Ist der Dienstplan aber erst einmal fertig gestellt und durch Unterschrift in Kraft gesetzt, hat er sein Direktionsrecht ausreichend ausgeübt.
Der Dienstplan ist dann für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verbindlich.
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Arbeit zur im Dienstplan festgelegten Zeit zu erbringen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Mitarbeiter zu dieser Zeit einzusetzen. Tut er dies nicht, z.B. wegen zu geringem Arbeitsaufkommens, besteht ein sog. Annahmeverzug (§ 293 BGB). Dies ist eine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Vergütung auch dann zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers nicht wie verbindlich festgelegt tätig geworden ist.
Der Fall: "Bei uns ist im Dienstplan ein Frei mit einem X gekennzeichnet. Die Stationsleitung markiert für jeden Mitarbeiter bis zu 4 freie Tage im Monat mit einem XX. Das steht für besonderes Wunschfrei, an diesen Tagen darf der Mitarbeiter nicht zum Einspringen
angerufen und geholt werden. Bei den „normalen“ freien Tagen muss man dagegen jederzeit damit rechnen, zum Arbeiten gerufen zu werden.“
Frei heißt Frei: Es gibt kein Frei erster oder zweiter Klasse. Mit dem X im Dienstplan hat der Arbeitgeber (= Vorgesetzter) sein Weisungsrecht bzgl. Verteilung der Arbeitstage aufgebraucht. Mit o.g. Regelung haben die Mitarbeiter in ihrem Dienstplan lediglich bis zu
vier echte freie Tage zugeteilt bekommen, die X-Tage mit Anrufbereitschaft sind arbeitsrechtlich gesehen Rufbereitschaften.
Diese sind mit einem reduzierten Stundensatz zu vergüten, Näheres regelt der Tarifvertrag. Auch in diesem Beispiel trägt der Arbeitgeber sein Unternehmerrisiko, Vorsorge für eine ausreichende Personalausstattung zu treffen. Er hat dieses schlicht auf die Beschäftigten verlagert - das ist ein Rechtsbruch.
Das Arbeitszeitgesetz macht keine Ausnahme: Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer/innen, egal in welcher Branche, nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dies sicherzustellen, dazu gehört auch, ggfs. für
die Ablösung zu sorgen.
Die Gewerbeaufsicht kontrolliert dies gelegentlich. Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten nicht nachweislich die gesetzliche Pause gewähren, müssen mit unangenehmen Sanktionen rechnen.
Nein, das wäre dann keine Pause, sondern Bereitschaftsdienst. Pause bedeutet: Der Arbeitnehmer kann völlig frei über diese Zeit verfügen, also beispielsweise auch das Haus und Gelände verlassen für einen Spaziergang, zum Essen oder Einkaufen usw. (Ausnahme: In einer Betriebsvereinbarung ist festgelegt, dass der Betrieb nicht verlassen werden darf, z.B. aus Sicherheitsgründen.)
Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass während dieser Zeit der Stationsbetrieb reibungslos weiterläuft.
Der Fall: „Ich arbeite als OP-Pfleger und bei uns ist es kaum jemals möglich, eine Pause zu nehmen. Es gibt keine Ablösung; wenn ich Pause mache, müsste ein Saal in der Zeit geschlossen werden bzw. die Anästhesie mit der Einleitung der Narkose warten. Natürlich tut das niemand, alle machen stattdessen Druck. Wir haben schon mehrmals deswegen mit der zuständigen Pflegeleitung gesprochen, den Betriebsrat eingeschaltet - geändert hat sich nichts. Alle betroffenen Mitarbeiter haben gründlich dokumentiert, wann und aus welchem Grund sie keine Pausen nehmen konnten.“
Solche Arbeitsbedingungen sind unhaltbar. Das Gesetz sieht keinerlei Ausnahmen für den OP-Bereich vor, auch hier muss der Arbeitgeber die gesetzlichen Pausen ermöglichen. Die Mitarbeiter sollten
a) das Amt für Arbeitsschutz (Gewerbeaufsicht) wegen der nicht gewährten Pausen informieren, und
b) die Auszahlung der auf diese Weise aufgelaufenen Überstunden einfordern und ggf. einklagen. Sammelklagen sind hierbei nicht möglich, jeder Mitarbeiter muss dies auf Basis seines Arbeitsvertrags selbst geltend machen.
Wenn Sie in der Pause dienstbereit sein müssen, hat nach dem Arbeitszeitgesetz keine Pause stattgefunden. Das gilt auch für den Nachtdienst. Länger als sechs Stunden hintereinander darf ein Arbeitnehmer jedoch nicht ohne Pause beschäftigt werden. Eine
Pause ist nach dem Gesetz gegeben, wenn man sich in dieser Zeit nicht dienstbereit halten muss, sondern frei von jeglicher Arbeitsverpflichtung bleibt.
Solche Dienste mit Telefon sollten Sie nach Datum notieren und die Zeit der so verbrachten vermeintlichen Pausen jeweils
am Ende eines Monats schriftlich als Arbeitszeit geltend machen. Zusätzlich lässt sich jedem Betroffenen nur empfehlen, sich mit der Arbeitsschutzbehörde in Verbindung zu setzen, da hier vermutlich ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz vorliegt.
Eine Pause liegt nur dann vor, wenn die Beschäftigten von jeglicher Dienstverpflichtung, auch von der Verpflichtung, sich zum Dienst bereitzuhalten, befreit sind. Das schließt einen Bereitschaftsdienst während der Pause aus. Betriebsrat und Arbeitgeber können
keine Dienstvereinbarung dergestalt treffen, dass es keine Pause mehr gibt.
Es besteht lediglich die Möglichkeit, durch Dienstvereinbarung die Gesamtdauer der Pausen in Schichtbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen. Das steht in § 7 Absatz 1 Nr. 2 ArbZG.
Raucherpausen sind in aller Regel das, was der Name sagt: Pausen. Denn sie finden ja, gerade in Pflegeberufen, nicht unmittelbar am Arbeitsplatz statt. Sondern in speziell dafür ausgewiesenen Räumen, Raucherzonen, im Freien usw. Zudem muss vor der Wiederaufnahme der Pflegearbeit die Berufskleidung gewechselt werden. Das alles kostet Zeit, während andere Kolleg/innen die Patienten-/Bewohnerversorgung sicherstellen.
Um im Team eine gerechte Pausenkultur zu schaffen, tun Führungskräfte gut daran, Pausen für Raucher und Nichtraucher zu regeln, sonst sind Konflikte vorprogrammiert. Immer wieder berichten PflegehelferInnen und PflegeschülerInnen, dass sie auf den Stationen zeitweise allein gelassen werden, weil die Pflegefachpersonen zum Rauchen gehen. Das geht natürlich nicht - und auch hierzu sollte eine klare Absprache erfolgen.
Ausführliche Informationen zu Dienstplanung, Dienstplansicherheit, Pausenregelungen und den rechtlichen Grundlagen gibt es im DBfK-Sammelband "Mein Recht auf Frei". Eine äußerst nützliche Handlungshilfe für Pflegeleitungen, gute Informationsgrundlage für alle Beschäftigten in Pflegeberufen und praktisches Handbuch für den berufskundlichen Unterricht.
Am 09. Mai 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 C 13.17 ein auch für die Pflegeberufe wichtiges Urteil gesprochen. Es weist die Fantasie kreativer Dienstplanbastler in die Schranken des geltenden Rechts, denn es stellt klar, was Vorgesetzte eigentlich wissen sollten: Arbeitnehmer haben Rechte und dürfen diese auch geltend machen!
„Urlaubstage dürfen, auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich, dass als Ausgleichstage nur Tage dienen können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Ebenso wenig dürfen gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage herangezogen werden. Gesetzliche Feiertage sind keine Werktage und grundsätzlich beschäftigungsfrei. Daher werden sie bei der Berechnung der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht in den Ausgleich einbezogen.“
Überlastungsanzeigen bzw. besser Gefährdungsanzeigen sind Dauerthema in der Pflege. Sie spiegeln die problematischen Bedingungen auf den Stationen und das damit verbundene Risiko für alle Beteiligten wider. Gefährdungsanzeigen werfen aber auch immer wieder Fragen auf, es gibt Unsicherheiten, wie und wann sie gestellt werden sollten, welche Verbindlichkeit damit verknüpft ist, was die Rechtsprechung sagt und welche Verpflichtungen für Führungskräfte, die Unternehmensleitung, aber auch für professionell Pflegende daraus entstehen.
Wir haben die wichtigsten Informationen und Tipps zur Gefährdungsanzeige inkl. eines Vordrucks zum Download zusammengestellt.
Bei einer berufskundlichen Infoveranstaltung des DBfK bei Altenpflegeschüler/innen im 2. Ausbildungsjahr fragte eine Schülerin: „Gilt das Arbeitszeitgesetz eigentlich auch für Pflegeschüler?“
Selbstverständlich gilt es auch in der Ausbildung:
Auf Nachfrage berichtete die junge Frau, dass die Klasse sich gerade in der letzten von vier Blockwochen (durchgängig theoretischer Unterricht in der Altenpflegeschule) befinde und sie seit mehr als fünf Wochen keinen einzigen freien Tag bekommen habe. Werktags sei sie im Unterricht, an den Wochenenden habe sie immer Dienst auf der Pflegestation machen müssen.
Es gibt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes dazu, wie lange am Stück Beschäftigte – also auch Pflegeschüler/innen – höchstens arbeiten dürfen: zwölf Tage in zwei Wochen.
Mit diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht 2017 Teilzeitkräften, die bisher bei Überstundenzuschlägen leer ausgingen, den Rücken gestärkt:
Alle Infos dazu.
§ 70 SGB V: Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit
„Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.“ (§ 70 Abs. 1 SGB V)
Aus § 39 SGB V zur Krankenhausbehandlung:
„Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.“ (§39 Abs. 1 SGB V)
§ 4 SBG XI:
Art und Umfang der Leistungen
(1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sind Dienst-, Sach- und Geldleistungen für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung sowie Kostenerstattung, soweit es dieses Buch vorsieht. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird. (…)
(3) Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen und Pflegebedürftige haben darauf hinzuwirken, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.
Aus all dem folgt – und so sehen das auch Rechtskommentatoren: Die Leistungserbringer schulden eine bedarfsgerechte Pflege, die sich am Pflegebedarf der individuellen Person, an Art und Schwere der Erkrankung und an der fachlich gebotenen Qualität (man nennt dies auch „state of the art“ – evidenzbasierter Standard) auszurichten hat. Die Pflege muss gleichmäßig und wirksam sein. Damit sind die Anforderungen an die Personalbemessung sowohl quantitativ wie qualitativ gesteckt.
Geplante Operationen, die im Bereitschaftsdienst stattfinden, reduzieren die Einsatzbereitschaft für den Notfall und sollten daher immer in der Regelarbeitszeit stattfinden. Ein dem Netzwerk CIRS Berlin gemeldeter Fall des Monats Oktober 2018 zeigt, in welche Schwierigkeiten man geraten kann, wenn die Zeit des Bereitschaftsdienstes für geplante Eingriffe zweckentfremdet wird. Auch die Arbeits- und Ruhezeiten der Beschäftigten müssen so gestaltet werden, dass Bereitschaftsdienst ausschließlich für unvorhersehbare Notfälle genutzt wird.
Ganz klares Nein - Sie haben ein Recht auf Frei! Es ist die Pflicht des Arbeitgebers, für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen. Diese muss so gestaltet sein, dass Ausfälle durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildungen von vornherein mit eingerechnet werden. Selbstverständlich muss die Arbeit auf Basis geltenden Rechts erfolgen, es müssen also Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetze und Tarifrecht zwingend umgesetzt werden. Nehmen sie Ihre Rechte als Arbeitnehmer/in wahr, lassen Sie nicht zu, dass sich der Arbeitgeber auf Ihre Kosten vor seinen Verpflichtungen drückt. Anlaufstellen sind zunächst der/die Vorgesetzte und die Mitarbeitervertretung.
Gut beraten mit dem DBfK : Wenn Sie Probleme und Fragen zum Arbeitsrecht haben, können Sie als DBfK-Mitglied eine Einzelfall- bzw. Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Diese ist kostenlos, nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihrem Regionalverband auf!
Im Zuge der aktuellen politischen Diskussion um die Bemessung von Pflegefachpersonal in Einrichtungen des deutschen Gesundheitswesens hat der DBfK die Übersetzung des ICN-Positionspapiers „Evidenzbasierte sichere Pflegepersonalausstattung“ veröffentlicht.
Seit langem gibt es umfassende Evidenz über den direkten Zusammenhang zwischen quantitativer und qualitativer Ausstattung mit Pflegepersonal und den Versorgungsergebnissen sowie der Patienten- und Bewohnersicherheit im Gesundheitswesen. Wer am Pflegepersonal spart, riskiert höhere Sterblichkeit und trägt die Verantwortung für ernste und dauerhafte gesundheitliche Schäden bei Klienten und Mitarbeitern. Das lassen sowohl unser Grundgesetz mit Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und Artikel 2 „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ als auch die Sozialgesetzgebung nicht zu – dennoch geschieht es tagtäglich. Mit seinem im August 2018 herausgegebenen Positionspapier fordert der Weltverband der Pflegeberufe deshalb auch die in Deutschland in Politik und Unternehmen Verantwortlichen eindringlich auf, weit mehr als bisher in sichere, effektive und am Pflegebedarf orientierte Pflegepersonalausstattung zu investieren, um die Outcomes nachhaltig zu verbessern und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Angesichts der zunehmenden Berufsflucht, hoher Krankheitsausfälle bei Pflegepersonal und dem sich verschärfenden Pflegefachkräftemangel führt daran ohnehin jetzt und in Zukunft kein Weg vorbei.
Das Positionspapier richtet sich mit Empfehlungen an alle im System Beteiligten und benennt u.a. wichtige Schlüsselprinzipien einer evidenzbasierten, sicheren Pflegepersonalausstattung:
Das vollständige Positionspapier zum Download: Evidenzbasierte sichere Pflegepersonalausstattung
Wie lange sind Sie schon im Beruf? Haben Sie jemals Bildungsurlaub genommen? Institute berichten, dass Pflegefachpersonen kaum in Seminaren, die als Bildungsurlaub anerkannt sind, auftauchen. Und falls doch, dauert es in der Regel nicht lange, bis sie abbrechen müssen, weil sie zum Einspringen am Arbeitsplatz gerufen wurden. Das frustriert doppelt, denn Bildungsurlaub wird mit längerem Vorlauf genehmigt und muss im Dienstplan selbstverständlich berücksichtigt werden. Die Kursgebühren zahlen die Teilnehmer/innen in der Regel aus eigener Tasche – natürlich in der Erwartung, das bereits Bezahlte dann auch abrufen und vollständig nutzen zu können.
Bildungsurlaub sollte nicht mit Erholungsurlaub verwechselt werden; er fordert großen Einsatz und volle Konzentration und kann auch physisch richtig anstrengend sein. Aber wer einmal die Erfahrung gemacht und von dem Zugewinn an Wissen und Vernetzung profitiert hat, weiß das zu schätzen und verzichtet danach ungern.
Bildungsurlaub ist bezahlte oder unbezahlte Freistellung von der Arbeit, um sich – in für Bildungsurlaub anerkannten Seminaren/Kursen/Workshops/Exkursionen – beruflich, politisch, allgemein, manchmal auch kulturell, weiterzubilden. Einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub für abhängig Beschäftigte gibt es bisher nicht. Die 16 Bundesländer haben unterschiedliche Regelungen, in Bayern und Sachsen allerdings gibt es kein Landesgesetz zum Bildungsurlaub – und damit auch kein Recht darauf.
Die Gesetze sind sich ähnlich, Unterschiede gibt es nur bei einigen Details. Wichtig zu wissen: Wenn ein Seminar in einem Bundesland als Bildungsurlaub anerkannt ist, muss es im Nachbarland nicht auch so sein. Vor der Buchung eines Angebots in einem anderen Bundesland ist deshalb zu prüfen: Ist das Angebot auch in dem Bundesland anerkannt, in dem sich Ihr Arbeitsplatz befindet? Nur dann können Sie dafür das Recht auf Bildungsurlaub geltend machen.
Bildungsurlaub ist:
Der Arbeitgeber darf den - frühzeitig beantragten - Bildungsurlaub im Allgemeinen nur aus betrieblichen Gründen oder bei konkurrierenden Urlaubswünschen anderer Beschäftigter ablehnen.
Für wen die Landesgesetze zum Bildungsurlaub gelten, wie viel Bildungsurlaub gewährt werden kann, wie man ihn beantragt, wer darüber entscheidet, welches Thema man bucht, wie man sich bei einer Ablehnung durch den Arbeitgeber verhält und welche Angebote es wo in Deutschland überhaupt gibt – all das finden Sie auf www.bildungsurlaub.de.
Zu viel Arbeit, zu wenig Personal, Zeitdruck, immer ‚unter Strom‘, Abarbeiten im Dauerlauf, keine Anerkennung, würdeloses ‚Abfertigenmüssen‘, Berge von Überstunden, unzuverlässige Dienstpläne, immer müde – beruflich Pflegende kennen all dies seit vielen Jahren aus ihrem Berufsalltag. Stress ist Normalzustand geworden, die Personaldecke ist so dünn, dass sie beim kleinsten Ausfall reißt. Das deutsche Gesundheitssystem hat weltweit (noch) einen guten Ruf. Schaut man allerdings hinter die Kulissen, zeigen sich erschreckende Mängel und Risiken für alle Beteiligten.
Der Dauer-Spagat zwischen dem, was in der täglichen Pflege zu leisten wäre und damit dem professionellen Berufsverständnis entspricht, und dem, was unter den gegebenen Umständen nur erbracht werden kann, führt zu ethischen Konflikten. Wenn solche Bedingungen lange andauern und keine Perspektive auf positive Veränderung erkennbar ist, macht das krank.
Niemand darf sagen, das käme überraschend. Seit Jahren belegen z.B. die Umfragen des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) in der Pflegethermometer-Reihe, wie sich Jahr für Jahr die Bedingungen in der Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen verschlechtert haben. Die Gesundheitsreports der großen Krankenkassen weisen seit Jahren die Berufsgruppe der beruflich Pflegenden als Branche mit hohem berufsbedingten Erkrankungsrisiko aus. Besonders auffällig ist der steile Anstieg stressbedingter, psychischer Erkrankungen wie Burnout, Depressionen oder auch Suchterkrankungen. Wenn Pflegefachpersonen aus dem Beruf flüchten oder ihre Arbeitszeit von Vollzeit auf Teilzeit reduzieren, dann eben auch, um möglichst gesund bleiben zu können. Kaum jemand hat unter den heutigen Arbeitsbedingungen die Chance, das gesetzliche Rentenalter zu erreichen.
Das hat Folgen: Der sich ohnehin verschärfende Pflegepersonalmangel wird noch dramatischer. Und die Altersabsicherung, die in Pflegeberufen sowieso meist nicht gerade üppig ausfällt, sinkt auf eine Rentenhöhe, die man als Altersarmut bezeichnen muss. Im Frauenberuf Pflege trifft dies vor allem Frauen.
„NURSING AND MIDWIFERY – The key to the rapid and cost-effective expansion of high-quality universal health coverage“ – der im November 2018 veröffentlichte Bericht vom WISH Nursing (World Innovation Summit for Health) and UHC Forum (Universal Health Coverage) 2018 appelliert zum wiederholten Mal an alle Regierungen weltweit, in die Pflegeberufe als Teil einer multidisziplinären, personenzentrierten Belegschaft im Gesundheitssystem zu investieren. Es wird u.a. von einer neuen Umfrage berichtet, an der ca. 6500 Personen in Indonesien, Malaysia, Thailand, China, Indien, Katar und Dänemark teilgenommen hatten. Die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass die große Mehrheit der Befragten sagte, sie wären stolz, wenn ihre Tochter den Pflegeberuf wählen würde. Eine Mehrheit in allen Ländern außer in China erklärte sogar, sie wären stolz, wenn ihr Sohn Pfleger würde.
Wie eine solche Umfrage wohl heutzutage in Deutschland ausfiele? Angesichts der herrschenden Arbeitsbedingungen und Perspektiven in der Pflegebranche raten informierte Eltern ihren Kindern wohl eher ab, beruflich den Weg in die Pflege einzuschlagen. Das muss sich ändern!
Der AOK-Fehlzeitenreport 2018 zeigt bei den Arbeitsunfähigkeitsdaten der Beschäftigten in den Pflegeberufen an: Der Krankenstand in dieser Berufsgruppe lag 2017 bei 6,8 Prozent, der Bundesdurchschnitt aller Branchen nur bei 5,3 Prozent.
(Fehlzeiten-Report 2018 von AOK und WIdO, veröffentlicht am 04. September 2018)
"So hart sind die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege" – eine Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit für den Zeitverlauf 2012 bis 2017 machte Anfang September Schlagzeilen. Die Ergebnisse zeigen überdeutlich, dass in der Pflegebranche die Arbeitsbedingungen weitauf stärker von Zeitdruck und überbordender Arbeitsmenge geprägt sind als im Durchschnitt aller Berufsgruppen.
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung
a) nach Berufsgruppen mit erhöhten Durchschnittszahlen der Erkrankungstage in der Diagnosegruppe psychische und Verhaltensstörungen, sowie
b) nach durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitstagen in o.g. Diagnosengruppe bei Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gefragt (Fragen 3 und 4).
Die Antwort der Bundesregierung:
"In der amtlichen Statistik werden die Arbeitsunfähigkeitstage von Mitgliedern nicht nach Berufsgruppen und Arbeitsstätten separat erfasst
Die Verbände der Krankenkassen hingegen erfassen Arbeitsunfähigkeitstage differenzierter. So werden beispielsweise im Fehlzeiten-Report 2017 der AOK Arbeitsunfähigkeitstage auf Basis der AOK-Daten für verschiedene Branchen und Krankheitsarten ausgewiesen. Für die Diagnosegruppe psychische und Verhaltensstörungen entfallen dort für das Jahr 2016 die meisten Arbeitsunfähigkeitstage auf folgende Berufsgruppen: Aufsichtskräfte im Hochbau (32,6 Tage), Berufe in der Gesundheits- und Krankenpflege (29,7 Tage), und Berufe in der Altenpflege (29,4 Tage)."
Beschäftigte in der Altenpflege werden doppelt so häufig erwerbs- oder berufsunfähig wie andere Berufsgruppen. Das ergab eine aktuelle Auswertung von Versichertendaten der Techniker Krankenkasse (TK) im Rahmen des TK-Gesundheitsreports. Demnach beziehen diese Berufsgruppen doppelt so häufig Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrenten aufgrund ihrer Alters- und Geschlechtsstruktur als zu erwarten wäre.
Darüber hinaus liegt die Anzahl der Fehltage bei Beschäftigten in der Altenpflege mit 25,3 Fehltagen pro Versicherungsjahr deutlich über dem Durchschnitt der Erwerbspersonen. Dieser liegt bei 15,1 Tagen. Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK: "Die Zahlen sind alarmierend. Sie zeigen, dass viele Pflegekräfte gesundheitlich stark belastet sind und sogar ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Es ist grundsätzlich gut, dass die Politik das Thema Pflege nun anpackt. Wir stehen hier jedoch vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, für die alle Beteiligten an einen Tisch müssen."
Die TK schlägt einen "Masterplan Pflegeberufe" vor, um die die Arbeitsbedingungen am Bett zu verbessern und so die Attraktivität des Berufsbilds zu steigern. Ziel ist auch, dass die heute in der Pflege Beschäftigten länger in ihrem Beruf arbeiten können und dies öfter in Vollzeit tun. Neben einer höheren Vergütung und einer größeren Lohnspreizung sieht die TK auch bei der Entwicklung von Rückkehrangeboten, einer altersgerechten Arbeitsorganisation sowie dem Fördern neuer Karrierewege Handlungsbedarf. Diese Handlungsfelder werden von der Politik aktuell mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz adressiert. Für die Altenpflege sind neben zusätzlichen Stellen auch die Förderung digitaler Entlastungsmöglichkeiten, eine verbesserte betriebliche Gesundheitsvorsorge und die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgesehen…
(02.08.2018; Meldung der Techniker-Krankenkasse)
Time to Care Studie: Wie zufrieden sind Ärzte und Pflegekräfte mit ihrer Arbeit?
Deloitte hat für die Time to Care Studie in 14 europäischen Ländern über 1.350 Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern befragt und 50 Interviews mit Führungskräften aus Krankenhäusern geführt. Laut der Studie sind 70% der Krankenhausärzte hierzulande zufrieden mit ihrer Arbeit; 21% geben aktiv an, dass sie unzufrieden sind. Eine ähnliche Verteilung, wenn auch auf etwas niedrigerem Level, zeigt sich bei den Pflegekräften mit 62% an zufriedenen und 18% an nicht zufriedenen Mitarbeitern. … Bei den Pflegekräften ist der Anteil der generell oder sehr zufriedenen Befragten der niedrigste – nur in Spanien ist der Anteil der unzufriedenen Pflegekräfte ähnlich hoch.
Als Hauptgründe für ihre Unzufriedenheit nannten Ärzte und Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern an erster Stelle die mangelnde Work-Life-Balance, gefolgt von fehlender Flexibilität bei der Schichtverteilung, schlechter Bezahlung, geringer Anerkennung und zu wenig Zeit, sich um die Patienten zu kümmern. … Die Antworten der Ärzte und Pflegekräfte belegen, dass die Belastung in deutschen Krankenhäusern im internationalen Vergleich als besonders hoch empfunden wird.
Auffällig ist, dass die Belastung gegenüber der zuletzt 2012 durchgeführten Studie erheblich gestiegen ist. Das trifft besonders auf die Pflegekräfte zu: Die Antworten, denen zufolge die Arbeit relativ oder sehr schwierig zu bewältigen sei, weisen insgesamt einen Anstieg um 31 Prozentpunkte auf.
Hauptgründe: gestiegene Patientenzahl (20,5% der Nennungen) und Mangel an Mitarbeitern (16,2% der Nennungen).
Ipsos - Globale Umfrage zur Gesundheitsversorgung
Aus Sicht der Bevölkerung stellt fehlendes Personal das größte Problem des deutschen Gesundheitssystems dar. 61% sind der Ansicht, dass der Mangel an Gesundheitsfachkräften eines der drei Hauptdefizite im deutschen Gesundheitswesen ist. Allerdings: In Deutschland stimmen 65% aller Befragten der Aussage zu, vom Gesundheitspersonal während vergangener oder gegenwärtiger Behandlungen stets mit Würde und Respekt behandelt worden zu sein.
(Ipsos Online Panel System; Ergebnisse zweier Umfragen vom 20. April bis 8. Juni 2018 in 27 Ländern; die deutsche Stichprobe kann als repräsentativ gelten)
Eine interessante repräsentative Befragung beruflich Pflegender wurde im Zeitraum Februar bis Mitte April 2018 in Baden-Württemberg durchgeführt. Ermittelt werden sollte primär die „Haltung der Pflegefachkräfte zur Errichtung einer Pflegekammer“. Daneben wurden aber auch weitere Fragen gestellt, insbesondere zur Arbeits- und Ausbildungssituation der Pflegefachpersonen und Auszubildenden. Die Ergebnisse sind erschreckend.
Beispielhaft einige Kernaussagen zur Arbeits- und Ausbildungssituation:
Das Fazit dieser Erhebung:
„Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage unter den Pflegefachkräften in Baden-Württemberg liefert im Hinblick auf die Arbeits- und Ausbildungssituation ein alles in allem ernüchterndes Bild. Ältere Pflegefachkräfte, deren Ruhestand absehbar ist, bilden den Grundsockel der Beschäftigten. Neben der Gewinnung von Nachwuchskräften sind das langfristige Halten von Pflegefachkräften und eine bessere Nutzung der Potenziale vorhandener Belegschaften sehr wichtig. Die Tatsache, dass sich bereits eine große Mehrheit der Auszubildenden nicht vorstellen kann, den Beruf bis zur Rente auszuüben, ist keine gute Nachricht.“
Baden-Württemberg ist hierbei nur insoweit ein Sonderfall, als man tatsächlich aktuelle repräsentative Daten erhoben hat und mit diesen Daten einen guten Eindruck über die Brisanz der Lage bekommt. In den anderen Bundesländern ist die Problemlage ähnlich, nur weniger erforscht und mit Zahlen belegt. Kein Grund, abzuwarten und den Dingen ihren Lauf zu lassen, ganz im Gegenteil!
Der Krankenstandswert 2017 lag in der Branche Gesundheitswesen mit 4,7% an zweithöchster Stelle, überholt nur noch von „Verkehr, Lagerei und Kurierdienste“ mit 4,8%. Die Tendenz ist ansteigend, von 4,5% im Jahr 2016 auf 4,7% in 2017.
„Das hohe Krankenstandsniveau im Gesundheitswesen ist zu einem großen Teil auf stark belastende Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit von Pflegenden wurden vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Gesundheitssystems im DAK-BGW Gesundheitsreport 2005 - Stationäre Krankenpflege und im DAK-BGW-Gesundheitsreport 2006 - Ambulante Pflege umfassend analysiert.
Wesentliche Ergebnisse sind, dass Pflegende noch immer überdurchschnittlich stark von Krankheiten und Gesundheitsstörungen betroffen sind. Dabei spielen Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychische Störungen eine besonders wichtige Rolle. Beide Krankheitsarten stehen häufig im Zusammenhang mit Belastungen aus der Arbeitswelt, die sich durch geeignete betriebliche Präventionsmaßnahmen grundsätzlich reduzieren lassen.“
(DAK Gesundheitsreport 2018; Seiten 230 – 231)
Fazit des DBfK:
Nur so kann es mittel- und langfristig gelingen, Menschen – ob jung oder älter – für diesen für die Gesellschaft so wichtigen Beruf zu gewinnen und sie möglichst lange und gesund darin zu halten."
Prof. Christel Bienstein
DBfK-Präsidentin
Die Anerkennung der im Beruf erbrachten Leistung schlägt sich nicht nur, aber eben auch auf dem Lohnzettel nieder. Beruflich Pflegende müssen mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten, Miete zahlen, möchten sich Urlaub leisten können, müssen etwas für ihre Altersversorgung tun – wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Die sogenannte Gesundheitswirtschaft boomt, hier ist viel Geld im Spiel. Deutsche Pflegeeinrichtungen sind hochinteressante Investitionsobjekte ausländischer Spekulatoren und werden Anlegern wärmstens empfohlen - weil hier Geld zu verdienen ist.
Erkauft wird das allerdings häufig mit Einsparungen am Pflegepersonal und dessen Gehalt. Je geringer die Tarifbindung, umso bescheidener das Lohnniveau. Auch das macht einen Beruf unattraktiv.
In der stationären Langzeitpflege werden Lohnsteigerungen häufig mit dem Argument abgewehrt, die daraus resultierenden Mehrkosten müssten die Pflegebedürftigen bzw. ihre Angehörigen in Form des steigenden Eigenanteils zahlen. Wird eine ganze Branche nur dadurch relativ preiswert und bezahlbar gehalten, dass man die Beschäftigten ausbeutet?
Es gibt eine Reihe von Untersuchungen aus jüngerer Zeit, die das belegen:
Die Höhe des Gehalts ist für Pflegekräfte unattraktiv. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Pflegekräfte tauchen ebenfalls in der Flop-Zehn-Liste auf. 2017 war das noch nicht der Fall. "Pflegekräfte werden immer bedeutender für die Gesellschaft, vergütungstechnisch verlieren sie dagegen zunehmend an Attraktivität", so der Geschäftsführer von gehalt.de. Mit einem Durchschnittsgehalt von 30.357 Euro befinden sich Pflegeberufe noch hinter Berufskraftfahrern.
Entgelte von Pflegekräften – weiterhin große Unterschiede zwischen Berufen und Regionen
"Der Pflegebranche fehlen Fachkräfte. In der politischen Diskussion wird in diesem Zusammenhang immer wieder betont, dass gerade in der Altenpflege zu niedrige Löhne gezahlt würden. Seit dem Jahr 2012 sind die Entgelte im Pflegebereich im Großen und Ganzen entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung gestiegen. Dabei ist das Lohngefälle zwischen Kranken- und Altenpflege weitgehend konstant geblieben. Auch die regionalen Entgeltunterschiede sind nach wie vor erheblich.
… Um den wachsenden Fachkräftebedarf decken und gute Pflege sicherstellen zu können, muss sich eine Tätigkeit als Pflegekraft auch finanziell lohnen – sowohl mit Blick auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten als auch hinsichtlich der Lebenshaltungskosten in der jeweiligen Region. Gerade im Bereich der Altenpflege zeigen die Analysen, dass hier nach wie vor Verbesserungspotenzial besteht.“
In Deutschland herrscht Pflegenotstand, überall fehlen Fachkräfte. Wer daran etwas ändern will, muss laut einer Studie von Dorothea Voss und Christina Schildmann die Arbeitsbedingungen in den sozialen Berufen verbessern.
Die Forscherinnen von der Hans-Böckler-Stiftung zeigen anhand zahlreicher Daten, wo die Probleme liegen – und wo Veränderungen ansetzen müssen. (…) Benötigt werden konkrete Schritte für die Aufwertung sozialer Dienstleistungsarbeit – und zwar beim Entgelt, der Personalbemessung, der Arbeitszeit und der beruflichen Entwicklung. (…) Eine möglichst flächendeckende Tarifbindung wäre ein effektiver Weg zu besserer Bezahlung in der gesamten Branche, erklären die Forscherinnen. Erschwert wird das allerdings durch den ‚Flickenteppich‘ kleiner Betriebe in der Branche sowie den starken Anteil kirchlicher Einrichtungen, die ihre Löhne auf dem ‚Dritten Weg‘ ohne Tarifverhandlungen mit Gewerkschaften festlegen können.
Friedrich-Ebert-Stiftung (2015): Nur Luft und Liebe? Die Entlohnung sozialer Dienstleistungsarbeit im Länder- und Berufsvergleich
„Ausgangspunkt der vorliegenden Expertise ist der Befund, dass professionelle Fürsorgearbeit, also Arbeit im Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegesektor, schlecht entlohnt wird. Anhand repräsentativer Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung (EU LFS) und des US-amerikanischen Zensus (IPUMS CPS) überprüfen wir, ob Carearbeit tatsächlich immer schlecht entlohnt wird oder ob dies nur für bestimmte Berufe in bestimmten Ländern gilt. (…) Deutschland schneidet im Ländervergleich schlecht ab: Im Gesundheits- und Pflegesektor sind die Einkommen von Hilfs- und Fachkräften deutlich niedriger als in den meisten anderen Ländern.“
Auch in der Pflege könnten die Gesetze des Marktes gelten: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Die Nachfrage nach Pflegefachpersonen ist immens, Arbeitgeber suchen händeringend nach Bewerbern.
Klar ist: Niemand muss sich unter Wert verkaufen. Pflegefachpersonen dürfen selbstverständlich erwarten, dass ihr Können und ihre Leistung angemessen vergütet werden. An finanziellen Mitteln dafür fehlt es nicht, auch wenn so mancher Arbeitgeber das bestreitet. Mit Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetzes III ist ausdrücklich die Anerkennung der Wirtschaftlichkeit von Entlohnungen bis zu Tarifniveau in den Pflegevergütungsverhandlungen der Pflegeeinrichtungen gesichert.
Und: In Zeiten des Personalmangels bekommt die Mitarbeiterbindung einen immer höheren Stellenwert. Das heißt, Arbeitgeber müssen sich anstrengen um qualifizierte Mitarbeiter/-innen zu halten. Das ist Ihre Chance!
Checkliste: Wie gut bin ich mit meinem Arbeitsplatz aufgestellt?
Klopfen sie diese Punkte sorgfältig ab und überlegen Sie, wo es für Sie konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen gibt. Wenn Sie Handlungsbedarf sehen: Vereinbaren Sie mit dem/der Vorgesetzten ein Gespräch und bereiten Sie sich gründlich darauf vor - oder nutzen Sie diese Hinweise für die Suche nach einer neuen Stelle. Viele Tipps dazu gibt es in unserem Sammelband „Tausche wichtigen gegen guten Arbeitsplatz" (insbesondere die Seiten 42-45). Dieser ist 2012 entstanden, aber immer noch top aktuell. Und: Es gibt Arbeitgeber, die für ihre Angestellten den Beitrag für den Berufsverband übernehmen. Fragen Sie auch danach gezielt!
Wer in Verhandlungen mit einem neuen oder dem aktuellen Arbeitgeber tritt, um beim Gehalt oder außertariflichen Zulagen mehr für sich rauszuholen, sollte sich gut vorbereiten und informieren. Vergleichswerte über die Durchschnittslöhne 2017 in den wichtigsten Branchen und deren unterschiedlichen Arbeitsbereichen finden sich im Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit.
Auch die Unternehmen der Gesundheitsbranche sind in den vergangenen Jahren nicht untätig geblieben in Sachen Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und Prävention. Sie haben ihren Beschäftigten durchaus Angebote gemacht – häufig (mit)finanziert durch Krankenkassen und/oder steuersubventioniert. Rückenschule, Kurse zum Umgang mit Stress, Entspannungsübungen, Fitnesstraining – es gibt viele Beispiele. Warum steigen die Krankheitsausfälle in den Pflegeberufen dennoch weiter steil an? Warum nehmen vor allem diejenigen solche Angebote wahr, die ohnehin bereits privat Sport treiben und es daher weniger nötig hätten als Andere? Warum sind viele der Angebote schlecht frequentiert?
Um es klar zu sagen: Überstrapazierten Mitarbeiter/innen Seminare zur Selbstpflege anzubieten und gleichzeitig die Ursache – das Missverhältnis zwischen Arbeitsvolumen und Personalressource – unverändert zu lassen, muss den Beschäftigten wie Hohn vorkommen und verschärft die Probleme noch. Wer heute seine Mitarbeiter hemmungslos auspresst, wird morgen keine mehr haben und entzieht seinem Unternehmen die Existenzgrundlage. Dafür sorgt nicht nur die zunehmende Konkurrenz um die knappen und begehrten Fachkräfte, sondern auch der ausbleibende Berufsnachwuchs. Es rückt also kein Ersatz nach, wenn überlastete Pflegende vorzeitig wegen berufsbedingter Erkrankung ausscheiden. Nicht nur deshalb sind Krankenhaus-, Heim- und Pflegedienstbetreiber gut beraten, alles daran zu setzen, dass ihr Pflegepersonal so lange und so gesund wie möglich seine Arbeit verrichten kann. „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“ Damit das Fußballfeld Pflege strapaziöse Spieltage überstehen kann, braucht der Rasen Dünger, konsequente Pflege und Schonung zwischen seinen Belastungsspitzen.
Dass sich (branchenübergreifend) für Betriebe und Krankenkassen der Wert der zahlreichen gesundheitsfördernden Angebote in Grenzen hält, bestätigt auch eine aktuelle Studie der Hochschule Fresenius (veröffentlicht 10. Oktober 2018). Das Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Hammer kommt zu dem Ergebnis: „Die von uns untersuchten Zielgruppen nehmen diese Aktivitäten sehr häufig als unpassend wahr und empfinden sie teilweise auch als Bevormundung oder Einmischung des Arbeitgebers. Das lässt sich leicht nachvollziehen, wenn zum Beispiel einem körperlich hart arbeitenden Angestellten Fitnesstrainings als besonderes Angebot angekündigt werden. (…) Für unsere Gesprächspartner war entscheidend, dass sie das Gefühl haben, mehr zu leisten als sie zurückbekommen. Diese Wahrnehmung ist wissenschaftlich sehr gut untersucht und erhöht das Risiko, langfristig krank zu werden, erheblich.“
Eine häufige Folge eines solchen lang anhaltenden Missverhältnisses zwischen Engagement und Belohnung ist, dass diese Mitarbeiter nicht nur häufiger krank werden, sondern sich auch in leichteren Fällen von Unwohlsein eher dafür entscheiden, sich krankschreiben zu lassen.
Anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden 2017 hat sich der DBfK ausdrücklich verpflichtet, die 2015 verabschiedeten ‚Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen‘ (SDGs) zu unterstützen. Deutschland gehört zu den 193 Ländern, die diese Ziele unterzeichnet und sich damit verpflichtet haben, ihr strategisches und politisches Handeln mit aller Konsequenz daran auszurichten. Weit vorangekommen ist man dabei bisher allerdings nicht, wie sich am Beispiel des SDG 5 Geschlechtergleichheit demonstrieren lässt.
Der am 5. November 2018 veröffentlichte Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung spricht u.a. von einer klaren Einkommensschere zwischen Frauen und Männern. Gründe dafür sind einerseits die Wahl des Berufs – in den klassischen Frauenberufen, zu denen gerade die Pflege gehört, wird nach wie vor weniger verdient als in typischen Männerberufen. Andererseits ist die stark ausgeprägte Tätigkeit in Teilzeit (in der Pflege deutlich über 50 Prozent) bei Frauen ein erhebliches Armutsrisiko, das sich nicht nur durch das gesamte Berufsleben zieht, sondern anschließend in drohender Altersarmut fortsetzt. Die Wissenschaftler des WSI empfehlen daher, konsequent an der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu arbeiten, damit Männer wie Frauen in Haushalten mit Kindern erwerbstätig sein können.
Drastischer formulierte es die Sozialwissenschaftlerin Prof. Uta Meier-Gräwe (Institut für Wirtschaftlehre der Justus-Liebig-Universität Gießen) bei der Frauengesundheitskonferenz im Oktober 2018: Frauen seien im Arbeitsleben strukturell benachteiligt. Sie fordert, Frauen bessere Berufs- und Erwerbschancen zu ermöglichen. Minijobs trügen auch kaum etwas zur Alterssicherung bei. Die drohende Altersarmut bei Frauen sei u.a. eine Folge des weitverbreiteten Zuverdiener-Modells, bei dem in aller Regel die Frau die unbezahlte Sorgearbeit übernehme und damit auf Einkommen und Karriereperspektiven verzichten müsse. In Deutschland seien Frauen am häufigsten in den sogenannten SAHGE-Berufen (Soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit und Pflege, Erziehung) tätig, wo sie ca. 80 Prozent der Beschäftigten stellen. Diese Branchen seien aber Berufe mit eingebautem Verarmungsrisiko, die sich darüber hinaus durch hohe Arbeitsintensität auszeichneten, so die Wissenschaftlerin.
Mit diesen Fragen beschäftigt sich seit einiger Zeit auch die Initiative Klischeefrei. Sie hat u.a. Faktenblätter eingestellt, die bei der Vertiefung des Themas weiterhelfen.
Selbst im Frauenberuf Pflege sind Frauen in lukrativen, attraktiven Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Während das Geschlechterverhältnis in den Pflegeberufen durchschnittlich etwa 85 Prozent Frauen zu 15 Prozent Männer beträgt, sieht das im Karriereverlauf dann deutlich anders aus. Hier müssen Frauen allzu oft die Männer an sich vorbeiziehen lassen, wie diese Tabelle (Quelle: Destatis 2018) zeigt:
|
Männer | Frauen |
---|---|---|
Pflegeheim | 61,2 % | 38,8 % |
Pflegedienst | 47,7 % | 52,3 % |
Tagespflege | 60,7 % | 39,3 % |
Pflegebereich insgesamt | 46,9 % | 53,1 % |
Dieses Missverhältnis ist bei der Pflege in den Krankenhäusern vielfach noch stärker ausgeprägt.
In der "Resolution des DBfK zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen" haben wir das Anliegen in Bezug auf Geschlechtergleichheit so fomuliert:
Neben dem Gender Pay Gap (Nachteile von Frauen bei den Löhnen) und dem Gender Pension Gap (Altersarmut von Frauen durch niedrigere Renten) ist in Deutschland auch der Gender Care Gap erschreckend hoch: Für die unbezahlte Sorgearbeit, die Frauen hierzulande täglich leisten, hat im März 2017 eine Sachverständigenkommission den Gender Care Gap mit derzeit 52,4 Prozent errechnet.
Nicht nur hier zeigt sich: Das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern ist noch längst nicht erreicht, Fortschritte werden viel zu langsam erzielt. Gerade die typischen Frauenberufe wie Pflege und andere Dienstleistungsbranchen sind es, die in Deutschland durch niedriges Lohnniveau, belastende Arbeitsbedingungen und wenig Autonomie gekennzeichnet sind. Entscheidende Gremien und Positionen werden, auch im Gesundheitswesen, überproportional von Männern besetzt. Das hat viele Gründe, darf so aber keinesfalls akzeptiert werden.
Strategiepapier „Mitarbeiterbindung“
Fachkräftemangel in der Pflege ist das große Thema der Bundes- und Landespolitiker sowie der Arbeitgeberverbände. Nach fähigen und willigen Bewerberinnen und Bewerbern für die vielen unbesetzten Arbeitsstellen in allen Sektoren der Gesundheitsversorgung wird händeringend gesucht.
Bei all den Anstrengungen, Personen mit und ohne Berufsabschluss für den Pflegeberuf und eine Arbeitsaufnahme im eigenen Unternehmen zu begeistern, wird leicht vergessen, dass dort noch eine Stammbelegschaft ist, die den Betrieb mit großem Einsatz und oft unter widrigsten Umständen am Laufen hält. Sie zu binden, gut zu pflegen und ihr bestmögliche Arbeitsumfelder zu bieten ist eine Aufgabe, die hohe Priorität verdient, aber leider gern vernachlässt wird.
Im Sommer 2018 hat das ‚International Centre on Nurse Migration (ICNM)‘ zusammen mit dem Weltverband der Pflegeberufe (ICN) ein bemerkenswertes Strategiepapier herausgegeben: ‚Nurse Retention‘.
Autor ist Professor James Buchan, ein international renommierter Gesundheitswissenschaftler. Er zeigt auf, warum eine Verbesserung der Fachkräftebindung in der Pflege so bedeutsam ist und welche Folgen für Finanzen, Versorgungsqualität, Arbeitsanfall und Arbeitsbedingungen in einer Einrichtung entstehen, wenn Pflegefachpersonen ausscheiden.
Die zentralen Teile der 28-seitigen Broschüre hat der DBfK ins Deutsche übersetzt.
Der DBfK-Unternehmerkodex
Die im DBfK organisierten Pflegebetriebe haben sich 2014 einen Kodex gegeben. Artikel drei der insgesamt sechs Selbstverpflichtungen bezieht sich auf den Umgang mit den Menschen, die bei ihnen beschäftigt sind und in ihrem Auftrag pflegen (Auszug):
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Wir Pflegeunternehmerinnen und Pflegeunternehmer im DBfK wissen, dass Mitarbeiterzufriedenheit die Voraussetzung für Patienten/Kunden-Zufriedenheit ist.
- Wir respektieren selbstverständlich, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Interessen, Pflichten und Verantwortungen außerhalb der Arbeitswelt haben.
- Wir stehen für einen zuverlässigen Informationsfluss, ehrliche Kommunikation, klare Regeln und geregelte Verantwortlichkeiten in unseren Unternehmen.
- Wir setzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Ressourcen ein und ermöglichen ihnen zur Förderung der beruflichen sowie der sozialen Kompetenz kontinuierlich Fort- und Weiterbildungen.
- Eine verlässliche Dienst- und Urlaubsplangestaltung ist uns wichtig.Wir übernehmen Verantwortung für die Rahmenbedingungen zur Arbeitssicherheit und zur Gesundheit unserer Mitarbeiter. Die Instrumente und Maßnahmen zur Ausführung unserer Tätigkeit in diesem Sinne sind uns bekannt.
- Wir Pflegeunternehmerinnen und Pflegeunternehmer im DBfK sichern unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine faire Vergütung der von ihnen für unsere Unternehmen erbrachten Leistungen zu.
Gute und wertschätzende Führung ist als Instrument der Mitarbeiterbindung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das zeigen Studien seit vielen Jahren in allen Branchen – und die Pflege ist da keine Ausnahme.
Anfang September 2018 erschien der Fehlzeiten-Report 2018 von AOK und WIdO. Neben der statistischen Auswertung von Versichertendaten hatten sich die Wissenschaftler diesmal dem Zusammenhang zwischen „Sinn erleben“ bei der Arbeit und der Gesundheit der Beschäftigten gewidmet. Hier gibt es eine direkte Verbindung und Führungskräfte sollten dies beachten.
Die Studie zeigte, dass in den meisten Unternehmen die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit enorm groß ist. Das führt zu Demotivierung, Konflikten, schlechterer Arbeitsleistung, innerer Kündigung, Fluktuation und messbar höheren Krankheitsquoten.
Gerade von beruflich Pflegenden wird großes Engagement und hohe Einsatzbereitschaft erwartet. Sie können deshalb mit Recht ihrerseits Anforderungen stellen: an die Loyalität des Arbeitgebers, die Qualität und Kompetenz von Führung, das Unternehmens- und Teamklima, die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Vorgesetzten, an Respekt und Anerkennung für das Geleistete.
Wie kommt es zu innerer Kündigung von Mitarbeiter/innen? Innere Kündigung ist die Reaktion auf eine subjektiv wahrgenommene Diskrepanz zwischen Soll und Ist, entstanden durch Verletzung des sogenannten inneren Vertrags durch Vorgesetzte bzw. den Arbeitgeber. Dieser Vertrag wird auch „psychologischer Vertrag“ genannt, er beinhaltet die wechselseitigen impliziten Erwartungen und Angebote und ist Kern der Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Beschäftigten.
Andere Theorien basieren auf dem Konzept von Reziprozität bzw. Gratifikationskrise (nach Siegrist, 1996) in der Arbeitswelt. Während Reziprozität ein ausgeglichenes Verhältnis von geleisteter Arbeit und dafür erhaltener Belohnung beschreibt, zeigt die Grafik die ausgeprägte Unausgewogenheit der Gratifikationskrise.
Mehr zum Thema Engagement, innere Kündigung, ihre Auslöser und Auswirkungen bietet auch der Gallup Engagement Index Deutschland:
die jüngsten Daten und Zeitverläufe im Vergleich
Transaktionaler Führungsstil:
Transformationaler Führungsstil:
Ethische Führung:
Authentische Führung:
1. Positiver Loop
Das wichtigste Instrument: die positive Unterstellung, auch „positiver Loop“ genannt, weil so auch die erforderliche Rückkoppelung deutlich wird. Wenn Sie gezielt die positiven Anteile aus der Reaktion eines Gegenübers herausfiltern und diese adressieren, besteht eine große Chance, dass der andere sich ebenfalls selbst in Bewegung setzt und an einer guten Lösung mitarbeitet. Nehmen Sie diese Haltung gegenüber jemandem ein, der Ihnen bisher gleichgültig oder abweisend begegnete, werden Sie feststellen, dass er sich zu bewegen beginnt. Anders ausgedrückt: Jemandem positiv zu begegnen ist eine strategische Entscheidung.
2. Fahrersitz
Was ich tue und was mein Gegenüber tut oder lässt, ist Ausdruck einer persönlichen Entscheidung. Selbstverantwortung heißt, in jeder Situation das Steuer in der Hand zu behalten – und das auch vom Gegenüber zu erwarten.
3. Realitätsanker
Die Realität führt, nicht der/die Vorgesetzte. Ziele und Absprachen werden aus der betrieblichen Realität abgeleitet. Die Macht des Faktischen ersetzt den persönlichen Druck. Das gilt auch für laterale Führung (= Führen ohne formale Weisungsbefugnis).
4. Zielprojektion
Nur selbst generierte Ziele sind nachhaltig wirksam. Handlungsschritte werden vom Zielverantwortlichen selbst aus dem Ist-Zustand bei Zielerreichung abgeleitet und nicht vom Führenden vorgeschlagen.
5. Überzeugungssog
Wer nur widerwillig zustimmt, steigt bei nächster Gelegenheit wieder aus. Das Gegenüber muss aktiv „ja“ sagen. Das erfordert Zeit, Geduld und überzeugende Argumente.
6. Masterplan für Gespräche
Viele Gespräche sind zu wichtig, um sie der Improvisation zu überlassen. Gute Vorbereitung, das Wissen um die emotionale Dynamik in der Kommunikation und die Kontrolle eigener direktiver Impulse sind erfolgsentscheidend. Aus der Perspektive der Führungskraft: Ich gehe mit einem klaren Plan ins Gespräch, von der Themenklärung zu Beginn über die Einigung auf eine gemeinsame Realität, den Umgang mit Einwänden, das Herausarbeiten des konkreten Ziels und das Absichern der Zustimmung der Beteiligten zum Abschluss.
Leiharbeit in der Pflege nimmt zu, vermutlich stärker als es die Statistiken aussagen. Die Bundesagentur für Arbeit nennt in ihrem jüngsten Bericht „Leiharbeitnehmer und Verleihbetriebe - (Monatszahlen und Jahreszahlen) - Deutschland und Länder“ zum Stichtag 31.12.2017 die folgenden Zahlen (nach der Klassifikation der Branchen):
813 Gesundh.,Krankenpfl.,Rettungsd.Geburtsh.: 25.344 (entspricht 2,5% aller Leiharbeitnehmer)
821 Altenpflege: 12853 (entspricht 1,2% aller Leiharbeitnehmer)
Der Bestand an Leiharbeitnehmern nach ausgeübter Tätigkeit (81 – 84 Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung) hat sich zwischen 2013 und 2017 wie folgt geändert:
Bestand im Jahresdurchschnitt 2013: 49.266
Bestand im Jahresdurchschnitt 2017: 63.156
Kürzlich veröffentlichte Zahlen aus Rheinland-Pfalz bestätigen den Trend: In 2017 waren dort 1.150 Personen in der Pflege als Leiharbeitnehmer beschäftigt, 816 davon in Krankenpflege, Rettungsdiensten und Geburtshilfe sowie 334 in der Altenpflege. Im Jahr 2013 waren es insgesamt 769 Leiharbeitnehmer in der Pflege gewesen, darunter 460 in Krankenpflege, bei Rettungsdiensten und in der Geburtshilfe sowie 309 in der Altenpflege. Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin kommentierte die Zahlen und sieht Zeitarbeit als Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege. Sie fordert aber auch, dass sie nicht zum Ersatz für reguläre Beschäftigung wird. (aus dpa-Meldung vom 01.10.2018)
Leiharbeit ist in der Pflege nach wie vor eine Nische. Immer häufiger allerdings muss sie schon bei der Dienstplanung von vornherein mit eingebunden werden, weil die Personaldecke zu dünn ist, Stellen unbesetzt bleiben und/oder hohe und langanhaltende Krankheitsausfälle das Team schwächen. Gleichzeitig mausert sich die Branche möglicherweise zum attraktiven „Fluchtweg“ aus den Arbeitsbedingungen einer Stammbelegschaft. Dafür sprechen Berichte in den Medien und Diskussionen in Social-Media-Plattformen.
Der Deutschlandfunk berichtet am 25. Mai 2018: „In der Altenpflege ist die Personaldecke dünn, der Druck hingegen hoch. Für immer mehr Pflegekräfte ist Leiharbeit eine attraktive Alternative. So haben sie mehr Freizeit und auch das Gehalt stimmt. Kritiker dieser Entwicklung fürchten um das Wohl der Patienten.“ Ein Altenpfleger berichtet, wie er die Unterschiede zwischen den Bedingungen beim früheren Arbeitgeber, einem Pflegeheimbetreiber, und dem jetzigen Arbeitsverhältnis als Leiharbeitnehmer erlebt. „Das bedeutet, dass ich mehr Freizeit habe für Freunde und Familie. Ich kann Wunschdienstpläne äußern, ich kann meinen Urlaub einreichen, ohne ein Problem zu haben. Ich habe ein sehr gutes Gehalt und halt auch Freiheit bei der Dienstplangestaltung.“
Süddeutsche.de schreibt am 22. Mai 2018: In der Leiharbeit ist die Arbeitsbelastung für Pflegekräfte mitunter geringer als bei einer Festanstellung. Noch ist Leiharbeit in der Pflege kein Massenphänomen. Doch in der Pflegebranche wächst die Leiharbeit rapide. „Ich stehe einfach nicht mehr unter diesem Druck, etwas zu tun, was ich eigentlich nicht tun will.“ Zum Beispiel, weil keine Anrufe mehr von Kollegen kommen, ob sie nicht diese oder jene Schicht wegen eines Krankheitsfalles übernehmen könnte, berichtet eine Krankenpflegerin, die ihre Festanstellung auf der Intensivstation eines Krankenhauses gegen einen Arbeitsvertrag in der Leiharbeit getauscht hat. Im Gegensatz zu früher ist sie nun unbefristet angestellt. „Das war für mich neben der größeren Flexibilität und dem geringeren Arbeitsstress der Hauptgrund zu wechseln. Ohne feste Anstellung kann man einfach keine Familie planen.“
MDR Aktuell berichtet am 25. März 2018: „Gesundheitssystem: Immer mehr Pfleger flüchten in Leiharbeit. Immer mehr Krankenpfleger entscheiden sich für einen Wechsel in die Leiharbeit. Die Zeitarbeitsfirmen werben mit weniger Arbeitsstress bei gleichem Lohn. Das lassen sich viele nicht zweimal sagen.“ Ein 52-jähriger Krankenpfleger berichtet, dass er nach fast 30 Jahren Festanstellung gekündigt habe und in die Leiharbeit gewechselt sei. Er könne sich bei seiner Zeitarbeitsfirma aussuchen, an welchen Wochentagen er arbeiten wolle. „Damit habe ich Planungssicherheit, die ich bei einer Festanstellung nicht hatte. Als Festangestellter musste ich ständig einspringen, als der Chef das forderte.“
Immer mehr Pflegekräfte flüchten in die flexible Leiharbeit. In den drei mitteldeutschen Ländern fällt der Zuwachs in der Krankenpflege mit ca. 70 % zwischen 2013 und 2017 besonders deutlich aus, in der Altenpflege beträgt er sogar mehr als 100% im genannten Zeitraum.
Wie äußert sich die Zeitarbeitsbranche selbst zu diesem Trend? In einer Pressemitteilung vom 16. Juli 2018 betont der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Werner Stolz, dass gerade im Pflegebereich die Kernkompetenzen der Branche Realität seien: „Der flexible Einsatz von Zeitarbeitskräften kompensiert nicht nur Arbeitskräftelücken, sondern kommt vor allem dem hauseigenen Pflegepersonal zugute, das dadurch entlastet wird.“ Vom Prinzip der Zeitarbeit profitieren nach seiner Meinung sowohl die Pflegeinstitutionen als auch die Zeitarbeitnehmer. Einsatzzeiten lassen sich flexibel gestalten und tragen so ganz praktisch der Work-Life-Balance Rechnung. Zeitarbeit sei auch mit Blick auf den Fachkräftemangel eine interessante Alternative.
Allerdings setzt auch die Zeitarbeit eine Spirale in Gang: Je mehr Pflegefachpersonen in die Leiharbeit abwandern, umso stärker steigt der Druck auf Stammbelegschaften. Und: Auch die erfahrenste und kompetenteste Kollegin aus der Zeitarbeit ist kein 100%-iger Ersatz für die Fachkraft, die seit langem zum Team gehört, das Unternehmen, seine Abläufe und Beschäftigten kennt, sich ihm verbunden und ihm verpflichtet fühlt. Darüber hinaus müssen sich auch Patienten/Bewohner und Angehörige ständig auf neue Gesichter einstellen.
Fazit: Die Einrichtungen selbst haben wesentlich dazu beigetragen, dass ihnen mehr und mehr Pflegefachpersonen weglaufen. In Zeiten eines gravierenden und weiter zunehmenden Pflegefachpersonenmangels steht es jedem frei, sich einen Arbeitgeber und Arbeitsplatz auszusuchen. Auch in der Zeitarbeit. Was zuvor festangestellte professionell Pflegende - oft an der Belastungsgrenze - dort suchen sind insbesondere stabile Dienstpläne, die ein zufriedenstellendes Privatleben erst ermöglichen. Der entscheidende Unterschied ist keineswegs das Geld. Im Durchschnitt verdienen Leiharbeitnehmer unterm Strich weniger als Kolleg/innen in Festanstellung mit Tarifgehalt. Allerdings können durchaus auch Pflegefachpersonen in der Leiharbeit einen übertariflichen Lohn aushandeln, wenn sie Berufserfahrung bzw. bestimmte Zusatzqualifikationen mitbringen.
Entscheidend wird für Arbeitgeber sein, die Stammbelegschaften zu pflegen. Sie sind es, die den Druck abfangen müssen – ob mit oder ohne Leiharbeitskräfte, die punktuell dazukommen. Deshalb sind Mitarbeiterorientierung, Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung richtungsweisend und entscheidend für die Zukunft eines Unternehmens.
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben am 17. November 2017 die Europäische Säule sozialer Rechte verabschiedet. Die Proklamation spiegelt die klare Unterstützung der durch die Säule garantierten Grundsätze und Rechte seitens aller EU-Institutionen wider.
Die Umsetzung der in der Säule festgelegten Grundsätze und Rechte ist eine gemeinsame Verpflichtung und Verantwortung der Organe der Europäischen Union, der Mitgliedsstaaten – also auch Deutschlands, der Sozialpartner und anderer Interessenträger. Die Europäische Säule sozialer Rechte „… soll als Richtschnur dazu beitragen, dass soziale Rechte besser in konkrete Rechtsvorschriften umgesetzt und angewandt werden“, heißt es in Artikel 12 der Präambel.
Im Kapitel l "Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang" heißt es: „Die Gleichbehandlung und Chancengleichheit von Frauen und Männern muss in allen Bereichen gewährleistet und gefördert werden; dies schließt die Erwerbsbeteiligung, die Beschäftigungsbedingungen und den beruflichen Aufstieg ein.“
Es ist kein Zufall, dass in Deutschland die Arbeitsbedingungen, das Lohnniveau und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gerade im Frauenberuf Pflege so verbesserungsbedürftig sind. Von echter Geschlechtergerechtigkeit sind wir noch weit entfernt.
Im Kapitel ll "Faire Arbeitsbedingungen" steht ausdrücklich: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Recht auf ein hohes Gesundheitsschutz- und Sicherheitsniveau bei der Arbeit.“
Schaut man sich vor diesem Hintergrund an, wie in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens mit den Rechten der Beschäftigten in der Pflege umgegangen wird und wie wenig viele Arbeitgeber und Führungskräfte ihre Fürsorgepflicht verinnerlicht haben, so zeigt sich auch hier enormer Handlungsbedarf.
Wichtig: Professionell Pflegende müssen ihre Rechte kennen und sie - auch gegen Widerstand - konsequent und immer wieder geltend machen!
Ende 2020 sollen die folgenden Ziele erreicht sein:
a) Effekten fachgerechter Pflege
b) Hürden die verhindern, dass die Berufsgruppe Pflege ihr
volles Potenzial entfalten kann
c) Lösungsansätzen, diese Hindernisse zu beseitigen.
Postkarten zur Aktion
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Pflegen ist …
Zum Tag der Pflegenden 2018 hat der DBfK zentrale Kapitel aus dem zugehörigen Handbuch des Weltverbands der Pflegeberufe (ICN) ins Deutsche übertragen:
Der Weltverband der Pflegeberufe ICN fasst dies in seiner „Definition von Pflege“ so zusammen: Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein.
Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.
Siehe auch: ICN-Definition der Pflege in deutscher Übersetzung
Auch der ICN-Ethikkodex für Pflegende benennt in seiner Präambel vier grundlegende Aufgaben von Pflegenden: Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten, Gesundheit wiederherzustellen, Leiden zu lindern.
Pflegen bedeutet dagegen nicht, …
Der einzigartige Beitrag professionell Pflegender in der Gesundheitsversorgung resultiert aus der Kombination von professionellem Wissen, vertraulicher praktischer Pflege sowie personenzentrierten und humanitären Werten.
Hinzu kommt natürlich, dass Pflegefachpersonen – wie andere Professionen auch – weitere Rollen im System ausfüllen wie beispielsweise Strategieentwicklung, Führung, Fürsprache und Interessenvertretung.
Quelle: All-Party Parliamentary Group on Global Health. The triple impact of Nursing, Abb. 1.1, Seite 10. (Oktober 2016).
Schon lange gilt Pflege als Mangelberuf nach den Kriterien der Arbeitsmarktanalyse der Bundesagentur für Arbeit. In ihrer jüngsten Fachkräfteengpassanalyse (Juni 2018) zeigt sich die weitere Verschärfung des Mangels:
„Das Wichtigste in Kürze:
In der gesamten Berufsgruppe ‚Gesundheits-, Krankenpflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe‘ beträgt die Vakanzzeit (d.h. Zeit bis zur adäquaten Wiederbesetzung einer ausgeschriebenen Stelle) von Stellenangeboten 149 Tage, damit ist sie im Vergleich zum Vorjahr um 9 Tage gestiegen.
Der Fachkräftemangel in der Altenpflege fokussiert sich auf examinierte Fachkräfte und Spezialisten und zeigt sich ausnahmslos in allen Bundesländern. Dieser Befund ist nicht neu, aber auch hier verschärft sich die Situation weiter: Gemeldete Stellenangebote für examinierte Altenpflegefachkräfte und -spezialisten sind im Bundesdurchschnitt 175 Tage vakant, ein Anstieg um 8 Tage gegenüber dem Vorjahr.
Erfasst sind in dieser Engpassanalyse lediglich die gemeldeten freien Stellen in der Pflege. Die Agentur selbst weist darauf hin, dass nur etwa jede zweite freie Stelle überhaupt gemeldet wird, es könnte auch ein noch deutlich geringerer Anteil sein. D.h. der Engpass ist noch weitaus größer als es die statistischen Zahlen ausdrücken können.
Welche Auswirkungen hat dies für die Patienten- und Bewohnerversorgung?
Wir haben einige gravierende Beispiele für den Pflegepersonalmangel zusammengetragen:
27. Juli 2018 - Ambulante Pflegedienste in Nordrhein-Westfalen (NRW) müssen nach Angaben ihrer Dachverbände zunehmend Menschen wegschicken. „Sieben von zehn Einrichtungen sind jeden Tag damit befasst, Kunden abzuweisen“, sagte der Landesbeauftragte des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Knips. Auch die Freie Wohlfahrtspflege NRW kennt das Problem. Der Zusammenschluss von Verbänden wie AWO, Caritas oder Paritätischer Wohlfahrtsverband verzeichnete bei einer Stichprobenerhebung im April 2.600 Absagen. Weil nur ein Teil der 850 zugehörigen Dienste Zahlen lieferte, geht man aber tatsächlich von rund 10.000 Fällen aus.
(…)Nach Meinung des BPA-Landesbeauftragten hat die Entwicklung vor allem mit dem demografischen Wandel zu tun. (…) Und mit Einführung der neuen Pflegegrade sei der Anteil potenzieller Kunden noch einmal gewachsen. (…) Auf der anderen Seite fehle das Personal. „Wir kommen einfach nicht mehr nach, neue Leute nachzuholen“, sagte Knips, der von einer katastrophalen Situation spricht. „Mich rufen Träger an und sind am Heulen. Töchter sind fix und fertig, weil sie nicht wissen, wie sie die Mutter versorgen wollen“, erklärte er.
(Meldung vom 27.06.2018, aerzteblatt.de)
25. Juni 2018 - Die Arbeit der Pflegekräfte hat einen immensen Einfluss auf die Versorgungsqualität von Patienten. Zahlreiche Studien zeigen: Wird ein Mindestmaß an Pflege unterschritten, steigt die Sterblichkeitsrate an, es kommt häufiger zu gravierenden Komplikationen. (…) Die Neurologie ist besonders pflegeintensiv. Das liegt an den Krankheitsbildern der Patienten mit Parkinson, Alzheimer, Schlaganfall oder Multipler Sklerose, an ihrem häufig hohen Alter, an Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und der Kognition, an psychischer Komorbidität oder Inkontinenz.
„Die Qualität der medizinischen Versorgung in der Neurologie ist in hohem Maße abhängig von der Qualität der Pflege“, sagt DGN-Präsident Gereon R. Fink. (…) Rund 30 Prozent der neurologischen Kliniken geben an, dass sie überwiegend wegen Pflegekräftemangel ihre Versorgung zeitweise einschränken müssen. Der Pflegenotstand in der Neurologie hat drastische Folgen für die Versorgungsqualität der Patienten. Wenn ein Mindestmaß an Pflege nicht zur Verfügung steht, steigen die Mortalitätsraten, ebenso die Zahl der Pneumonien und Harnwegsinfekte. Darüber hinaus verlängert sich der Krankenhausaufenthalt.
(Presseinformation Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN)
Juni 2018 - Eine bayerische Regionalzeitung berichtet über den Fall einer Kreisklinik, in der vor allem im Bereich der Intensivstationen knappes Personal, zu wenig Zeit und unzureichende Vorbereitung für wichtige Aufgaben wie Desinfektion von Geräten zu konkreten Problemen geführt hätten. In der Folge hätten sich mehrere Intensivpatienten mit Krankenhauskeimen angesteckt.
(Ärzte Zeitung online, 11.06.2018)
Juni 2018 - Beim Umgang mit innerklinischen Notfällen haben viele Krankenhäuser Luft nach oben, findet Stefan Lenkeit, pflegerischer Koordinator für das innerklinische Notfallmanagement am Uniklinikum Bonn. Das betreffe sowohl das rechtzeitige Erkennen kritischer Zustände als auch das Management der Notfälle.(…)
Er sieht mehrere Gründe dafür: Auch die zunehmende Arbeitsverdichtung in der Pflege spiele eine Rolle, mit immer weniger Personal müssten immer mehr Patienten versorgt werden. Internationale Studien würden zeigen, dass eine höhere Arbeitsbelastung mit einer höheren Sterblichkeit korreliert und eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter mit einer niedrigeren Sterblichkeit.
(Ärzte Zeitung online, 12.05.2018)
März 2018 - „Die Bedingungen, zu denen wir unsere Arbeit verrichten sollen, entsprechen schon lange nicht mehr dem, was notwendig wäre, um die Patienten umfassend gut zu versorgen. Die Art der Pflege, die ich gelernt und gern auch meinen Patienten angeboten hätte, ist unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr möglich.(…)
Das Pflegestärkungsgesetz stärkt in seiner praktischen Anwendung lediglich die Kassen und kaschiert eine jahrzehntelange fehlgeleitete Sozial- und Gesundheitspolitik. Wir wollen uns daran nicht mehr beteiligen. Ich schließe deshalb nach mehr als 20 Jahren nun meinen häuslichen Pflegedienst.“
(N.N., Name und Sachverhalt sind uns bekannt)
März 2018 - Welche Konsequenzen der zunehmende Personalmangel schon heute hat, macht eine Online-Umfrage von zwei Intensivmedizinern deutlich. Die Auswertung zeigte, dass in den letzten Monaten auf rund dreiviertel der deutschen Intensivstationen Betten gesperrt werden mussten und diese somit nicht für eine Belegung zur Verfügung standen. In 22 Prozent der Fälle mussten sogar täglich Betten gesperrt werden. Von den Sperrungen waren meist zwei oder drei Betten betroffen.
„Als Gründe für die Bettensperrung gaben knapp die Hälfte der Befragten (43,8 Prozent) den Mangel an Pflegepersonal an, rund ein Fünftel (18,8 Prozent) einen kombinierten Mangel an Ärzten und Pflegenden.“
Auch die Notfallversorgung leidet unter dem Personalmangel. So gaben lediglich 18 Prozent der Befragten an, dass die Notfallversorgung nicht beeinträchtigt war. (…) Personalmangel und Bettensperrungen können zur verzögerten Aufnahme von kritisch kranken Patienten auf die Intensivstation führen und die Qualität der Versorgung beeinträchtigen.
(Meldung der Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin DGIIN)
Februar 2018 - Altenheim verhängt Aufnahmestopp. Einem Zeitungsbericht des Münchner Merkur zufolge kann die Paritätische Altenhilfe 24 der insgesamt 180 Plätze nicht belegen, weil dem Haus fünf Fachkräfte fehlen. (…) Bisher haben auch Maßnahmen zur Personalsuche keine Früchte getragen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte Mitarbeiter mit einer Startprämie von 3000 Euro versucht anzulocken – ohne Erfolg. (…) Die Wohnungsnot in München und Umgebung sowie die hohen Lebenshaltungskosten erschweren die Akquise von Mitarbeitern.
(Wohlfahrtintern, Meldung vom 01.02.2018)
Februar 2018 -
"Wenn der Nachtdienst zu zweit für 99 Bewohner ist (Erst ab 100 gäbe es eine dritte Kraft), dann wundert es auch nicht, dass die um ein Uhr Verstorbene um vier Uhr noch 100 ml getrunken hat. Muss ja stimmen, die Trinkmenge."
"Wenn du morgens um sieben Uhr die liebe, alte Dame auf der Toilette sitzend findest, weil die Nachtschwester ihr um 02.08 Uhr gesagt hat, sie komme gleich wieder. Und sie es vor lauter Arbeit vergessen hat."
"Wenn du als Pflegepraktikant krank wirst und die Stationsleitung Panik bekommt, weil Personal fehlt. Als Pflegepraktikant. In der dritten Woche."
Das sind drei Tweets von hunderten, die unter dem Hashtag #twitternwierüddel beim Kurznachrichtendienst Twitter ab dem 3. Februar 2018 aufgelaufen sind. Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel hatte die beruflich Pflegenden in einem Tweet aufgefordert, doch endlich mal positiv aus ihrem Job zu berichten. Die Reaktion war eine Empörungswelle: Zynisch und sarkastisch schilderten Pflegefachpersonen den tatsächlichen Zustand ihres Berufs.
Januar 2018 - Das Universitätsklinikum Münster (UKM) musste eine Station schließen, weil zu wenig Pflegende für die Patienten da sind. „Wir stehen am UKM für eine hohe Qualität der pflegerischen und medizinischen Versorgung. Um diese Qualität und die Versorgungssicherheit unserer Patienten zu gewährleisten, haben wir in der bestehenden Mangelsituation entschieden, dass wir einen stationären Bereich schließen, um die Pflegenden in anderen Bereichen einsetzen zu können. (…) Uns fehlen rund 90 bis 100 Vollkraftstellen im Bereich der Pflegefachkräfte im Pflege- und Funktionsbereich.“
(25.01.2018; bibliomed-pflege.de; Interview mit dem Pflegedirektor des UKM)
Januar 2018 - Die Haunersche Kinderklinik in München hat auf die dramatische Personalnot und deshalb reduzierte Aufnahmekapazität aufmerksam gemacht. Wegen der fehlenden Mitarbeiter sei dort eine komplette Station stillgelegt, die Notaufnahme sei derzeit abgemeldet (…).
Die meisten Pfleger seien im öffentlichen Dienst beschäftigt und das Gehalt sei zu gering, um sich ein Leben in München leisten zu können. „Ich bin ins Schwesternwohnheim zurückgezogen, weil der Mietspiegel so intensiv hoch ist, dass ich's mir eigentlich nicht mehr leisten kann“, berichtet eine Pflegefachkraft.
(18.01.2018; Meldung auf www.bibliomed-pflege.de)
Dezember 2017 - „Sogar als Pflegeberaterin und akademisierte Pflegefachkraft erreicht mich der Pflegenotstand in Deutschland! Warum? Es gibt keine Kapazitäten mehr: Als Pflegeberaterin im Landkreis … kann ich aktuell kaum noch Pflegedienste, Kurzzeitpflegeplätze etc. an pflegebedürftige Menschen vermitteln. Die Pflegedienste haben Aufnahmestopp und die stationären Einrichtungen arbeiten mit langen Wartelisten. Wie Sie wissen gibt es durch das PSG II zusätzliche Angebote (z.B. Betreuungs- und Entlastungsangebote 125 Euro pro Monat etc.). Diese Angebote bleiben aus o.g. Gründen ungenutzt.“
(09.12.2017; Brief eines langjährigen engagierten DBfK-Mitglieds an den DBfK Bundesverband)
Dezember 2017 - Ein Altenheim-Bewohner (83) hat in K. in Thüringen wahrscheinlich den Weg zurück ins Altenheim nicht mehr gefunden und ist erfroren. Der leicht bekleidete Senior sei an einer Unterkühlung gestorben, so die Polizei. Der Mann sei nach derzeitigem Ermittlungsstand dement gewesen. (…) Sein Verschwinden sei gegen 04:30 Uhr festgestellt worden, die Polizei fand ihn knapp vier Stunden später rund einen Kilometer entfernt vom Altenheim.
(dpa-Meldung vom 03.12.2017)
Dazu ein Hinweis: Eine groß angelegte Studie der Universität Witten-Herdecke ergab 2015, dass sich in deutschen Pflegeheimen eine Pflegekraft nachts im Schnitt um 52 Menschen kümmern muss. In manchen Heimen ist der Versorgungsschlüssel sogar weit schlechter als dieser Durchschnittswert. So gaben 8,7 Prozent der Befragten an, nachts sogar für mehr als 100 Heimbewohner zuständig zu sein. Da bleibt u.U. das Verschwinden eines Demenzkranken sehr lange unentdeckt.
November 2017 - Die prophezeite Krise in der Pflege kommt offenbar mit Wucht auch in Mitteldeutschland an. In Sachsen-Anhalt droht dem zweiten Heim binnen weniger Wochen das Aus, in Sachsen wird ein Aufnahmestopp für über 400 Betten in drei Heimen geprüft, auch Thüringen untersagte in den letzten Jahren schon die Wiederbelegung von Plätzen in Pflegeheimen. (…) Laut sachsen-anhaltischem Sozialministerium leidet die Branche unter einem extremen Fachkräftemangel.
(Meldung aus der Leipziger Volkszeitung vom 17.11.2017)
November 2017 - Hygiene-Problem in deutschen Kliniken. „Auch wenn die Kliniken Hygiene-Spezialisten beschäftigen, herrscht doch in vielen Häusern Personalmangel.
Wie trägt der zum Problem bei?
Da gibt es einen Zusammenhang. Wenn die Arbeitsbelastung für Mitarbeiter immer größer wird, passieren eher Fehler oder die Handhygiene wird vergessen.
Welcher Teil der Krankenhausinfektionen wäre denn bei optimalen Hygiene- und Arbeitsbedingungen vermeidbar?
Etwa ein Drittel.“
(16.11.2017; Interview mit Prof. Petra Gastmeier bei SPIEGEL ONLINE)
September 2017 - IQTIG legt Qualitätsreport vor. „Besorgniserregend ist der Prozessindikator zur präoperativen Verweildauer bei osteosynthetischer Versorgung einer hüftgelenknahen Femurfraktur“, schreibt Klakow-Franck. Nahezu jeder fünfte Patient müsse länger als maximal zulässig auf seine Operation warten.
„Dabei ist den einschlägigen Leitlinien zu entnehmen, dass Patientinnen und Patienten mit Schenkelhalsfraktur so schnell wie möglich operiert werden sollten, da eine frühzeitige Operation innerhalb von sechs bis 24 Stunden das Risiko einer Hüftkopfnekrose halbiere“ (…) Im Dialog mit den externen Qualitätswächtern gestehen Krankenhäuser dem Report zufolge häufig Struktur- und Prozessmängel ein: Neben geringen OP-Kapazitäten, Personalmangel am Wochenende, Engpässen bei der Verfügbarkeit postoperativer Überwachungsmöglichkeiten …
(27.09.2017; Meldung auf www.bibliomedmanager.de )
September 2017 - Belegungsstopp in Heimen: Es fehlt Personal. 14 von 101 Pflegeheimen in Bremen nehmen wegen Personalmangels keine neuen Bewohner mehr auf. So habe die Wohn- und Betreuungsaufsicht der Stadt bei fünf Häusern einen Belegungsstopp verhängt und neun Häuser haben sich freiwillig zu dem Schritt entschlossen. Entweder ging nach Überprüfungen bei den betroffenen Pflegeheimen aus dem Stellenplan hervor, dass zu wenige Fachkräfte angestellt sind. Oder die Schichten waren laut Dienstplan zum Beispiel wegen Erkrankungen von Personal nicht ausreichend besetzt.(…)
Die Wohn- und Betreuungsaufsicht orientiert sich bei der Beurteilung der Häuser neben den Dienstplänen auch an den Trinkprotokollen, Medikationsplänen oder den Maßnahmen zur Körperhygiene. Bei den Häusern mit Belegungsstopp werden die pflegerischen Herausforderungen nicht im vollen Umfang gewährleistet.
(14.09.2017; Meldung auf Ärzte Zeitung online)
März 2017 - Pflegemangel gefährdet OP-Erfolge. Chirurgen warnen vor mehr Komplikationen nach OPs. In Deutschland versorgt ein Pfleger oft 13 Patienten, in anderen Ländern sind es nur zwischen sechs und acht. Das hat Folgen.
„Trotz der enormen Fortschritte in der Chirurgie gibt es in Deutschland erhebliche Defizite in der Patientenversorgung“, sagte T. Pohlemann, Präsident des 134. Chirurgenkongresses in München.(…) Patienten würden immer schlechter vor- und nachversorgt, so Pohlemann. „Das entscheidet auch über eine höhere oder geringere Komplikationsrate.“ Je öfter Pfleger den Patienten sähen, desto eher bemerkten sie eine negative Entwicklung. (…)
Untersuchungen belegten, dass Deutschland bei der Personalausstattung in Kliniken im internationalen Vergleich abfalle. Die Pflege sei der größte Kostenfaktor in einem Krankenhaus, folglich werde hier immer weiter gespart.
(20.03.2017, Meldung bei SPIEGEL ONLINE)
Die sich ändernden Anforderungen des 21. Jahrhunderts haben zur Folge, dass Pflegefachpersonen in Zukunft eine weitreichende Rolle spielen müssen. Neue und innovative Dienstleistungen sind nötig – stärker bezogen auf die eigene Häuslichkeit und die Kommune, ganzheitlicher und individueller, mit wachsendem Fokus auf Prävention und technische Lösungen. In all diesen Bereichen können Pflegefachpersonen eine Führungsrolle übernehmen. Den Beitrag professionell Pflegender zu verstärken erfordert jedoch, dass sie angemessen eingesetzt, gewürdigt und in Politik und Entscheidungsfindung eingebunden werden.
Nursing Now arbeitet weltweit mit Partnern zusammen und will dafür kämpfen, dass mehr Pflegefachpersonen in Führungspositionen kommen – damit beruflich Pflegende den Einfluss erhalten, den sie verdienen. Gestärkt werden soll auch der Zugang zu Aus- und Weiterbildung sowie gemeinsames Forschen und Austausch von Erfahrungswissen.
Nursing Now ruft verantwortliche Gesundheitsexperten auf, in Pflege zu investieren und neue Versorgungskonzepte zu etablieren, damit der Beitrag beruflich Pflegender zur allgemeinen Gesundheitsversorgung maximiert werden kann. Nur das garantiert das Recht jedes Einzelnen auf gute Versorgung ohne finanzielle Notlagen.
Nursing Now ist eine gemeinsame Initiative des Weltverbands der Pflegeberufe ICN und der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Kampagne ist auf drei Jahre angelegt.
Meine Tochter sagte kürzlich zu mir: Mami, wenn ich groß bin, will ich keine Ärztin werden, sondern eine Krankenpflegerin, weil ich dann dem Doktor Dinge anreichen kann.
Selbst meine Vierjährige denkt, dass unsere Rolle eine Nebenrolle ist.
Nurses don' just pass things to the doctor
Artikel aus "Die Schwester Der Pfleger", 1/2017
I'm just a nurse
"Ich habe nur den geschulten Blick, der medizinischen Fehlern, Komplikationen und anderen Katastrophen vorbeugt..."
Plakat des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK )
Die Broschüre "Mein Beruf: Pflegen" wurde realisiert mit Mitteln der Glücksspirale.
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