Prof. Dr. Miriam Peters ist Internationalisierungsbeauftragte Pflege und Gesundheit im Lehrbereich Klinische Pflege der Frankfurt University of Applied Sciences und wirkt mit im Projekt MODINA, das im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) das Modul „Pflegehandeln in Krisen und Katastrophen – Disaster Nursing“ für die Pflegeausbildung entwickelt. Wir haben mit ihr über Disaster Nursing und die Rolle von Pflegefachpersonen gesprochen.
Was verstehen Sie unter Katastrophenpflege und um welche Katastrophen geht es dabei überhaupt?
Katastrophenpflege bezeichnet die professionelle Versorgung von Menschen in außergewöhnlichen Schadenslagen, bei denen die regulären Ressourcen nicht ausreichen. Dazu zählen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürme oder Erdbeben, aber auch technische Unfälle und weitere Großschadensereignisse. Pflegefachpersonen sind davon meist sowohl mittelbar als auch unmittelbar betroffen. Ihnen kommt die zentrale Aufgabe zu, die Versorgung in allen Phasen des Katastrophenmanagements zu sichern – von der Vorbereitung über die Akutphase bis zur Nachsorge. Sie gewährleisten unter erschwerten Bedingungen die medizinische und psychosoziale Betreuung, oft in Situationen großer Unsicherheit und hoher Belastung.
Spielt die Profession Pflege in den derzeitigen organisatorischen Strukturen in Deutschland eine Rolle? Wenn ja, welche?
International wird die Rolle der Pflege im Katastrophenmanagement zunehmend systematisch definiert, etwa durch die ICN-Kernkompetenzen für alle Phasen des Katastrophenmanagementzyklus (Prävention, Vorbereitung, Reaktion, Wiederherstellung). In mehreren Ländern ist diese Integration bereits umgesetzt. In den USA sind Pflegefachpersonen fester Bestandteil der Disaster Medical Assistance Teams (DMAT), die bei großen Schadenslagen medizinische Versorgung sicherstellen. Auch in Australien ist Disaster Nursing als Fachgebiet etabliert, insbesondere für die Versorgung bei Naturkatastrophen wie Buschbränden. In Deutschland hingegen fehlen bislang verbindliche Strukturen, die die Pflege konsequent und flächendeckend in den Katastrophenschutz einbinden, insbesondere in der stationären und ambulanten Langzeitpflege. Zwar existieren Projekte und Empfehlungen der Berufsverbände, doch die Umsetzung ist fragmentarisch. Insgesamt steht die Profession Pflege hierzulande noch am Anfang einer systematischen Integration in den Katastrophenschutz.
Welche erweiterten Rollen und Aufgaben sehen Sie für die Berufsgruppe in Zukunft?
Pflegefachpersonen werden zunehmend Führungs- und Koordinationsaufgaben übernehmen und ihre heilkundlichen Kompetenzen erweitern, etwa bei der Erstversorgung und Triage. Ihre Rolle in der Prävention, Gesundheitsförderung und psychosozialen Betreuung wird wachsen. Digitale Kompetenzen und die Fähigkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit werden ebenso an Bedeutung gewinnen. Damit werden Pflegefachpersonen zu unverzichtbaren Partner:innen bei der Organisation und Umsetzung von Gesundheitsversorgung in Krisensituationen.
Haben Sie konkrete Forderungen an Politik oder Gesellschaft in Bezug auf die Pflege in der Katastrophenversorgung?
Es braucht verbindliche gesetzliche Regelungen zur Einbindung der Pflege in alle Phasen des Katastrophenmanagements. Die Aus- und Weiterbildung im Bereich Katastrophenpflege muss bundesweit systematisch gestärkt und verpflichtend werden. Die berufliche Pflege muss besser ausgestattet und personell gestärkt werden, um die Versorgung auch in Krisen sicherzustellen. Außerdem muss die Pflegeprofession in strategischen Krisengremien auf allen Ebenen fest verankert und gesellschaftlich deutlich sichtbarer werden.
Was kann jede einzelne Pflegefachperson tun, um sich für die Katastrophenpflege fit zu machen bzw. sich darauf vorzubereiten?
Pflegefachpersonen sollten gezielt Fortbildungen und Simulationen besuchen, um ihre Fachkompetenzen zu schärfen und Handlungssicherheit zu gewinnen. Persönliche Vorsorge durch Notfallpläne und Ausrüstung ist ebenso wichtig. Die Entwicklung von psychischer Belastbarkeit und Resilienz empfiehlt sich, um den Anforderungen im Ernstfall besser standzuhalten. Außerdem sollten Pflegefachpersonen sich mit Krisenmanagementprozessen und interprofessioneller Zusammenarbeit vertraut machen, um im Team effektiv zu agieren.