DBfK aktuell - Mai 2025

„Es braucht Zeit, Geduld – und alle im Team“

Koudjo Johnson arbeitet seit Oktober 2024 im Ernst von Bergmann Klinikum in Potsdam als Integrationsmanager.

Er ist in Togo geboren, hat dort Germanistik und Pädagogik studiert, als Deutschlehrer gearbeitet und ehrenamtlich Personen unterstützt, die nach Deutschland einwandern wollten. Seit 2020 lebt er in Deutschland. Seine Ausbildung zum Pflegefachmann hat er in Bamberg absolviert.

Koudjo Johnson
Koudjo Johnson

DBfK aktuell: Für wie viele internationale Kolleg:innen sind Sie in Potsdam aktuell zuständig?
Koudjo Johnson: Bei uns arbeiten etwa 200 internationale Kolleg:innen aus mindestens zwölf Ländern. Ein großer Teil kommt von den Philippinen und ist in unserem INGA-Programm. Die zweite große Gruppe kommt aus der Ukraine. Außerdem kommen immer wieder angehende Kolleg:innen zur Ausbildung zu uns, die ich ebenfalls begleite.

Was gehört als Integrationsmanager zu Ihren Aufgaben?
Teilweise bin ich bereits in Vorstellungsgesprächen involviert, komme aber in der Regel dann ins Spiel, wenn die offizielle Zusage geschickt wurde, da viele bereits Fragen zum Unterschreiben des Vertrages etc. haben. Ich stelle mich per E-Mail vor, erkläre die nächsten Schritte und bin für Rückfragen erreichbar. Ich unterstütze bei der Organisation wichtiger Dokumente und begleite die Kolleg:innen in den ersten Wochen: von der Anmeldung bei der Stadt über Bankkonto, Steuer-ID, ÖPNV bis hin zur ersten Stadtführung in Potsdam.
Gerade für angehende Auszubildende ist die persönliche Begleitung wichtig: Eine Gruppe habe ich direkt am Flughafen abgeholt. Wir haben gemeinsam das Gelände erkundet, ich war in den ersten Tagen immer ansprechbar – das hilft beim Ankommen enorm.

Wo liegen die größten Herausforderungen in der Integration internationaler Pflegefachpersonen?
Viele kommen mit einem stark medizinisch geprägten Hintergrund zu uns, vor allem Kolleg:innen von den Philippinen. Sie haben oft ein Studium absolviert, bringen viel Erfahrung mit – arbeiten aber in einem ganz anderen Pflegeverständnis. In ihrer Heimat ist die sogenannte Grundpflege keine pflegerische Aufgabe, sie konzentrieren sich stärker auf medizinisch-technische Tätigkeiten auf ärztliche Anordnung. In Deutschland hat die Pflege ein anderes Berufsverständnis – und das sorgt oft für Missverständnisse.
Hinzu kommen sprachliche Hürden. Aber leider wird vieles vorschnell auf die Sprache geschoben. Dabei sind es oft kulturelle Unterschiede: Wer zum Beispiel nicht weiß, dass die Körperpflege hier zur pflegerischen Aufgabe gehört, kann das auch mit dem besten Deutsch nicht leisten. Das ist kein böser Wille – es fehlt an Wissen über die hiesige Pflegekultur.

Was braucht es, damit Integration gelingt?
Es braucht Zeit, Geduld – und alle im Team. Integration ist keine Checkliste, die man abarbeiten kann. Es ist eine gemeinsame Reise. Deshalb wären Workshops mit dem gesamten Team wichtig, um über Pflegeverständnisse und kulturelle Unterschiede zu sprechen. Auch Sprachmentoring kann viel bewirken: Wenn Kolleg:innen lernen, Sachverhalte einfach zu erklären und sensibel auf Rückfragen reagieren, ist viel gewonnen.

Was erleben internationale Kolleg:innen im deutschen Pflegealltag?
Viele werden nicht entsprechend ihrer Kompetenzen eingesetzt. Eine Kollegin hatte jahrelange Erfahrung in der Unfallchirurgie – sie kam in die Augenklinik. Das ist frustrierend. Recruiting sollte erfahrungsorientiert erfolgen, nicht nur bedarfsorientiert.
Außerdem fehlt oft das Vertrauen in die Fähigkeiten der Kolleg:innen. Manche lernen wichtige Inhalte nicht, weil man ihnen sprachlich nichts zutraut. Und nach der Anerkennung ärgern sich manche deutsche Kolleg:innen, dann heißt es: ‚Die bekommen jetzt das gleiche Gehalt, obwohl sie aus meiner Sicht weniger leisten.‘ Das erzeugt Spannungen, die man nur durch offene Gespräche auflösen kann.

Wer hilft bei solchen Konflikten?
Ich bin immer ansprechbar – auch wenn es beispielsweise um Informationen zum Familiennachzug geht. So wissen sie schon, dass es möglich ist, die Familie nachzuholen, – oder darum, die Station zu wechseln oder einfach mal Sorgen loszuwerden. Ich sage immer: Ich bin nicht für das Krankenhaus da, sondern für die Kolleg:innen, die hierherkommen. Und viele nehmen das dankbar an – weil ich ihre Erfahrungen teile. Auch Themen wie Rassismus spreche ich offen an, da die Kolleg:innen oft nicht von selbst über ihre Erfahrungen sprechen. Bei mir wissen sie, dass ich ihre Situation kenne und verstehe. Dabei gehe ich auch offensiv mit meinen Erfahrungen und meinem Umgang mit rassistischen Erlebnissen um.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mehr Sensibilität im Team, weniger Vorurteile – und mehr echte Begleitung. Praxisanleiter:innen sind wichtig, aber sie bewerten. Viele internationale Kolleg:innen brauchen eher Mentor:innen – Menschen, die sie auf Augenhöhe unterstützen. Und ich wünsche mir, dass auch die internationalen Kolleg:innen sich vorbereiten: Sprachkenntnisse verbessern, sich über das Land und die Pflegekultur informieren. Denn das Gesundheitssystem braucht sie – also spielen wir alle eine Rolle.

(AKH)

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