Sarah Fliesgen ist Gesundheits- und Krankenpflegerin, hat einen Bachelorstudiengang in Pflegepädagogik absolviert und hält einen Master in Versorgungsforschung und -gestaltung. Sie war zunächst klinisch tätig und hat bis zu ihrem Einstieg im DBfK Bundesverband als Pflegepädagogin gearbeitet. Seit Januar 2025 managt sie dasGemeinschaftsprojekt BBNE-PfleGe im DBfK.
DBfK aktuell: Worum geht es bei BBNE-PfleGe?
Sarah Fliesgen:
BBNE-PfleGe steht für ,Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung
in den Pflege- und Gesundheitsberufen‘. Konkret geht es darum,
Praxisanleitende in den Gesundheitsberufen für das Thema ,Planetare
Gesundheit‘ zu sensibilisieren und sie entsprechend zu qualifizieren.
Warum richtet sich das Projekt an Praxisanleitende?
Das Gesundheitssystem gehört weltweit zu den größten Emittenten – es verursacht im Durchschnitt mehr CO₂-Emissionen als der gesamte Luft- und Schiffsverkehr zusammen. Diese Emissionen ließen sich deutlich reduzieren, wenn alle Beschäftigten im Gesundheitswesen für nachhaltiges Handeln sensibilisiert wären, regelmäßig ihr Handeln reflektierten und nachhaltigere Alternativen in Betracht zögen. Der Grundstein dafür muss bereits in der Ausbildung gelegt werden – und Nachhaltigkeit muss auch in der Praxis konsequent mitgedacht werden. Praxisanleitende spielen hier eine Schlüsselrolle: Sie begleiten Auszubildende von Anfang an und prägen ihr praktisches Handeln. Deshalb bilden wir diese Gruppe gezielt fort. Übrigens: Unsere Fortbildungen können auf die jährlich 24 Stunden Pflichtfortbildung für Praxisanleitende angerechnet werden.
Was lernen die Teilnehmenden in den Fortbildungen?
Die Fortbildungen sind berufspädagogisch ausgerichtet. Wir sensibilisieren zunächst für das große Thema Nachhaltigkeit und erarbeiten gemeinsam, wo im Pflegealltag ökologisch nachhaltiges Handeln möglich und einfach umsetzbar ist. Im Mittelpunkt steht, die eigenen Werte und Haltungen zu reflektieren, daraus konkrete Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und Entscheidungskompetenz zu entwickeln. Ziel ist es, die Teilnehmenden zu motivieren, ihr pflegerisches Handeln bewusst nachhaltiger zu gestalten – und dieses Wissen an die Auszubildenden weiterzugeben.
Wie werden die Angebote bisher angenommen?
Die Nachfrage ist sehr gut – sowohl seitens der Einrichtungen als auch bei den offenen Angeboten, für die sich Einzelpersonen anmelden können. Da das Thema für viele noch recht neu ist, begegnen uns Teilnehmende anfangs gelegentlich mit Skepsis: Sie fragen sich, was Nachhaltigkeit konkret mit ihrem Berufsalltag zu tun hat. Viele berichten aber auch, dass sie privat bereits sehr nachhaltig leben, diesen Gedanken bislang aber noch nicht auf ihren Arbeitsalltag übertragen haben.
Wie gelingt es euch, den Bogen zur nachhaltigen Pflegepraxis zu schlagen?
Zunächst sensibilisieren wir dafür, wo im Pflegealltag nachhaltigeres Handeln möglich ist: In welchen Bereichen entstehen besonders viele Emissionen? Wo ist der Ressourcenverbrauch hoch? Dann vermitteln wir ein Verständnis von Planetary Health – also der planetaren Gesundheit. Dabei weiten wir den Blick von der individuellen Gesundheit auf die Gesundheit des gesamten Planeten und seiner Ökosysteme. Letztlich ist klar: Nur auf einem gesunden Planeten können wir selbst gesund leben. Hitzewellen, Hochwasser, Luft- und Wasserverschmutzung sind bereits Krankheitszeichen des Planeten – und sie bedrohen unmittelbar unsere eigene Gesundheit. Gleichzeitig belastet unser ressourcenintensives Gesundheitssystem die planetare Gesundheit erheblich.
Gibt es konkrete Praxisbeispiele, mit denen ihr arbeitet?
Ein
gutes Beispiel ist der hohe Verbrauch von Einmalhandschuhen. Deren
Produktion verursacht erhebliche Emissionen und der entstehende Müllberg
ist enorm. Dabei ist die Händedesinfektion, die in vielen Fällen eine
Alternative wäre, nicht nur nachhaltiger, sondern auch hygienisch oft
effektiver: Ein einzelner Handschuh entspricht den Emissionen von rund
29 Händedesinfektionen. Ein weiterer großer Emissionsfaktor sind
Medikamente: Ihre Herstellung, der hohe Rohstoffverbrauch, Forschung,
Transport, Entsorgung und selbst die Rückstände, die über Ausscheidungen
in die Umwelt gelangen, belasten den Planeten stark.
Medikamente kann man ja aber nicht einfach weglassen.
Natürlich
nicht. Um den Medikamentenverbrauch zu senken, braucht es einen
stärkeren Fokus auf Prävention und Gesundheitsförderung. Das Beste für
das Klima sind gesunde Menschen, die gar keine Medikamente oder
medizinische Versorgung benötigen. Dieser Ansatz ist nicht nur aus
Nachhaltigkeitsperspektive sinnvoll, sondern auch dringend notwendig,
damit unser Gesundheitssystem dem demografischen Wandel gewachsen
bleibt.
Hier sind Pflegefachpersonen besonders wichtige Akteur:innen.
Auch in unserer Arbeit kommt der Aspekt der Prävention aus
unterschiedlichen Gründen oft zu kurz. Es ist uns als Berufsgruppe
dringend geboten, uns wieder mehr darauf zu fokussieren. Dabei geht es
natürlich um die Anwendung von präventiven Maßnahmen in der direkten
Praxis, wie bspw. von Prophylaxen. Viel wichtiger ist aber, dass wir
unsere derzeitigen Abläufe und Prozesse häufiger hinterfragen und somit
langfristig für gesunderhaltende und damit nachhaltige Handlungsweisen
sorgen.
Wenn du drei Wünsche frei hättest – welche wären das?
Erstens
wünsche ich mir, dass klimabezogene Gesundheitskompetenz verbindlich in
den Berufsgesetzen aller Gesundheitsberufe verankert wird – damit
Nachhaltigkeit von Beginn an Teil jeder Ausbildung ist. Zweitens:
Entscheidungen im Gesundheitswesen sollten nicht primär unter
kurzfristig-ökonomischen Gesichtspunkten getroffen werden, sondern
Nachhaltigkeit als zentrales Kriterium berücksichtigen. Das ist
langfristig auch wirtschaftlich der bessere Weg. Drittens wünsche ich
mir, dass die Berufsgruppe die Bedeutung und die Handlungsmöglichkeiten
des Themas erkennt, sich vernetzt und als große Berufsgruppe sichtbar
handelt. Schon kleine Schritte helfen: Wenn wir zum Beispiel eine alte
Dame in der Hitzewelle ans Trinken erinnern, im Team regelmäßig
reflektieren, ob Handschuhe wirklich nötig sind, oder die Pflegetour
ökologisch sinnvoller planen – dann sind wir auf einem guten Weg.
(AKH)