DBfK aktuell - Juli 2025

„Das Beste für das Klima sind gesunde Menschen“

Sarah Fliesgen ist Gesundheits- und Krankenpflegerin, hat einen Bachelorstudiengang in Pflegepädagogik absolviert und hält einen Master in Versorgungsforschung und -gestaltung. Sie war zunächst klinisch tätig und hat bis zu ihrem Einstieg im DBfK Bundesverband als Pflegepädagogin gearbeitet. Seit Januar 2025 managt sie dasGemeinschaftsprojekt BBNE-PfleGe im DBfK

DBfK aktuell: Worum geht es bei BBNE-PfleGe?
Sarah Fliesgen: BBNE-PfleGe steht für ,Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Pflege- und Gesundheitsberufen‘. Konkret geht es darum, Praxisanleitende in den Gesundheitsberufen für das Thema ,Planetare Gesundheit‘ zu sensibilisieren und sie entsprechend zu qualifizieren.

Warum richtet sich das Projekt an Praxisanleitende?
Das Gesundheitssystem gehört weltweit zu den größten Emittenten – es verursacht im Durchschnitt mehr CO₂-Emissionen als der gesamte Luft- und Schiffsverkehr zusammen. Diese Emissionen ließen sich deutlich reduzieren, wenn alle Beschäftigten im Gesundheitswesen für nachhaltiges Handeln sensibilisiert wären, regelmäßig ihr Handeln reflektierten und nachhaltigere Alternativen in Betracht zögen. Der Grundstein dafür muss bereits in der Ausbildung gelegt werden – und Nachhaltigkeit muss auch in der Praxis konsequent mitgedacht werden. Praxisanleitende spielen hier eine Schlüsselrolle: Sie begleiten Auszubildende von Anfang an und prägen ihr praktisches Handeln. Deshalb bilden wir diese Gruppe gezielt fort. Übrigens: Unsere Fortbildungen können auf die jährlich 24 Stunden Pflichtfortbildung für Praxisanleitende angerechnet werden.

Was lernen die Teilnehmenden in den Fortbildungen?
Die Fortbildungen sind berufspädagogisch ausgerichtet. Wir sensibilisieren zunächst für das große Thema Nachhaltigkeit und erarbeiten gemeinsam, wo im Pflegealltag ökologisch nachhaltiges Handeln möglich und einfach umsetzbar ist. Im Mittelpunkt steht, die eigenen Werte und Haltungen zu reflektieren, daraus konkrete Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und Entscheidungskompetenz zu entwickeln. Ziel ist es, die Teilnehmenden zu motivieren, ihr pflegerisches Handeln bewusst nachhaltiger zu gestalten – und dieses Wissen an die Auszubildenden weiterzugeben.

Wie werden die Angebote bisher angenommen?
Die Nachfrage ist sehr gut – sowohl seitens der Einrichtungen als auch bei den offenen Angeboten, für die sich Einzelpersonen anmelden können. Da das Thema für viele noch recht neu ist, begegnen uns Teilnehmende anfangs gelegentlich mit Skepsis: Sie fragen sich, was Nachhaltigkeit konkret mit ihrem Berufsalltag zu tun hat. Viele berichten aber auch, dass sie privat bereits sehr nachhaltig leben, diesen Gedanken bislang aber noch nicht auf ihren Arbeitsalltag übertragen haben.

Wie gelingt es euch, den Bogen zur nachhaltigen Pflegepraxis zu schlagen?
Zunächst sensibilisieren wir dafür, wo im Pflegealltag nachhaltigeres Handeln möglich ist: In welchen Bereichen entstehen besonders viele Emissionen? Wo ist der Ressourcenverbrauch hoch? Dann vermitteln wir ein Verständnis von Planetary Health – also der planetaren Gesundheit. Dabei weiten wir den Blick von der individuellen Gesundheit auf die Gesundheit des gesamten Planeten und seiner Ökosysteme. Letztlich ist klar: Nur auf einem gesunden Planeten können wir selbst gesund leben. Hitzewellen, Hochwasser, Luft- und Wasserverschmutzung sind bereits Krankheitszeichen des Planeten – und sie bedrohen unmittelbar unsere eigene Gesundheit. Gleichzeitig belastet unser ressourcenintensives Gesundheitssystem die planetare Gesundheit erheblich.

Gibt es konkrete Praxisbeispiele, mit denen ihr arbeitet?
Ein gutes Beispiel ist der hohe Verbrauch von Einmalhandschuhen. Deren Produktion verursacht erhebliche Emissionen und der entstehende Müllberg ist enorm. Dabei ist die Händedesinfektion, die in vielen Fällen eine Alternative wäre, nicht nur nachhaltiger, sondern auch hygienisch oft effektiver: Ein einzelner Handschuh entspricht den Emissionen von rund 29 Händedesinfektionen. Ein weiterer großer Emissionsfaktor sind Medikamente: Ihre Herstellung, der hohe Rohstoffverbrauch, Forschung, Transport, Entsorgung und selbst die Rückstände, die über Ausscheidungen in die Umwelt gelangen, belasten den Planeten stark.

Medikamente kann man ja aber nicht einfach weglassen.
Natürlich nicht. Um den Medikamentenverbrauch zu senken, braucht es einen stärkeren Fokus auf Prävention und Gesundheitsförderung. Das Beste für das Klima sind gesunde Menschen, die gar keine Medikamente oder medizinische Versorgung benötigen. Dieser Ansatz ist nicht nur aus Nachhaltigkeitsperspektive sinnvoll, sondern auch dringend notwendig, damit unser Gesundheitssystem dem demografischen Wandel gewachsen bleibt.
Hier sind Pflegefachpersonen besonders wichtige Akteur:innen. Auch in unserer Arbeit kommt der Aspekt der Prävention aus unterschiedlichen Gründen oft zu kurz. Es ist uns als Berufsgruppe dringend geboten, uns wieder mehr darauf zu fokussieren. Dabei geht es natürlich um die Anwendung von präventiven Maßnahmen in der direkten Praxis, wie bspw. von Prophylaxen. Viel wichtiger ist aber, dass wir unsere derzeitigen Abläufe und Prozesse häufiger hinterfragen und somit langfristig für gesunderhaltende und damit nachhaltige Handlungsweisen sorgen.

Wenn du drei Wünsche frei hättest – welche wären das?
Erstens wünsche ich mir, dass klimabezogene Gesundheitskompetenz verbindlich in den Berufsgesetzen aller Gesundheitsberufe verankert wird – damit Nachhaltigkeit von Beginn an Teil jeder Ausbildung ist. Zweitens: Entscheidungen im Gesundheitswesen sollten nicht primär unter kurzfristig-ökonomischen Gesichtspunkten getroffen werden, sondern Nachhaltigkeit als zentrales Kriterium berücksichtigen. Das ist langfristig auch wirtschaftlich der bessere Weg. Drittens wünsche ich mir, dass die Berufsgruppe die Bedeutung und die Handlungsmöglichkeiten des Themas erkennt, sich vernetzt und als große Berufsgruppe sichtbar handelt. Schon kleine Schritte helfen: Wenn wir zum Beispiel eine alte Dame in der Hitzewelle ans Trinken erinnern, im Team regelmäßig reflektieren, ob Handschuhe wirklich nötig sind, oder die Pflegetour ökologisch sinnvoller planen – dann sind wir auf einem guten Weg.

(AKH)


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