DBfK aktuell - April 2025

Neue Wege für die Gesundheit in der Kommune

Die Fachtagung Gesundheit in der Kommune fand mit Moderation von Susanne Kluge in der Robert Bosch Stiftung in Berlin statt. (Fotos: Anita Back)
Die Fachtagung Gesundheit in der Kommune fand mit Moderation von Susanne Kluge in der Robert Bosch Stiftung in Berlin statt. (Fotos: Anita Back)
Tahnee Leyh, Gemeindegesundheitspflegerin im brandenburgischen Luckau, berichtete aus ihrem Arbeitsalltag.
Tahnee Leyh, Gemeindegesundheitspflegerin im brandenburgischen Luckau, berichtete aus ihrem Arbeitsalltag.

„Wir stehen an einem Wendepunkt“, konstatierte DBfK-Bundesgeschäftsführerin Dr. Bernadette Klapper zu Beginn der Fachtagung Gesundheit in der Kommune, die am 5. März in der Robert Bosch Stiftung in Berlin und online stattfand. Ziel war, den Mehrwert von Community Health Nurses (CHN) aufzuzeigen.

Den Wendepunkt sah auch Dr. Katja Vonhoff, Leiterin des Robert Bosch Centrums für Innovationen im Gesundheitswesen. Ebenso wie Klapper verdeutlichte sie die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung: Personalmangel, insbesondere in ländlichen Gebieten und benachteiligten Stadtteilen, Finanzierungsprobleme, demografische Veränderungen, der Anstieg chronischer Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit sowie ein ineffizientes Gesundheitssystem mit verbesserungswürdigen Ergebnissen. Hinzu kommen sektorale Grenzen, die eine kontinuierliche Versorgung behindern, sowie veraltete Strukturen und Hierarchien, die auf Ärzt:innen fokussieren und die eine interprofessionelle Zusammenarbeit erschweren. Vonhoff stellte klar: „Die Hausärzte allein werden die Primärversorgung nicht stemmen können!“ 

Das deutsche Gesundheitssystem wird seinem Namen derzeit nicht gerecht. Es fehlt der Fokus auf Prävention und Gesunderhaltung, insbesondere zur Vermeidung chronischer Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit, deren Anstieg bereits prognostiziert ist. Stattdessen reagieren die Akteur:innen lediglich auf bestehende Krankheiten. Hier setzte die Tagung an und zeigte neue Perspektiven auf mit dem Einsatz von Community Health Nurses in städtischen und ländlichen Gebieten, stellte Finanzierungsmodelle vor und präsentierte Praxisbeispiele. Die Veranstaltung richtete sich insbesondere an Bürgermeister:innen, Landrät:innen und Verantwortliche in den Gebietskörperschaften – etwa 70 Personen nahmen vor Ort teil und ca. 180 verfolgten sie im Livestream.

Für alle ist ein Strukturwandel unumgänglich. Marc Elxnat, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, machte klar, dass die Gesundheitsversorgung ein wichtiges Zukunftsthema und ein entscheidender Standortfaktor für jede Kommune sei. Versorgung müsse neu gedacht werden – aus der Perspektive der Patient:innen. Allerdings schränken hohe Haushaltsdefizite von fast 25 Milliarden Euro und die fehlende Zuständigkeit der Kommunen für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung die Handlungsmöglichkeiten erheblich ein. Dennoch besteht der Wunsch, bei der Gesundheitsplanung mitzuwirken.

Elxnat sieht in der Einführung des Berufsbildes der Community Health Nurse eine wichtige Maßnahme, um Patient:innen den Zugang zum Gesundheitssystem zu erleichtern. Prof. Corinna Petersen-Ewert von der HAW Hamburg stellte die Rolle der CHN vor und warf die Frage auf: „Müssen Hausarztsitze überhaupt mit Hausärzten nachbesetzt werden?“ In anderen Ländern wie Kanada, Finnland, Frankreich oder Schweden gibt es pflegegeleitete Praxen und Kliniken, die zu einer besseren und kostengünstigeren Gesundheitsversorgung führen. Diese Modelle sind zwar nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar, könnten aber Versorgungslücken schließen und die Gesundheitsförderung sowie Prävention stärken. Petersen-Ewert betonte, dass Verantwortlichkeiten im Gesundheitssystem neu geregelt werden müssen – und das gehe nur im Miteinander.

Auch in Deutschland gibt es erste CHN-Projekte. Tahnee Leyh, Gemeindegesundheitspflegerin in Luckau (Brandenburg), und Linda Iversen, CHN im Hamburger Stadtteil Veddel, berichteten von ihrer täglichen Arbeit. Der erste Schritt bei Einführung und Etablierung einer CHN ist die Bedarfserhebung in den jeweiligen Quartieren, da jedes Gebiet unterschiedliche Anforderungen hat. Leyh und Iversen zeigten, wie sie durch Pflegesprechstunden, Hausbesuche, Schulungen und Gruppenangebote die Gesundheit der Bürger:innen fördern. Leyh sieht sich als „Schnittstelle, da wo alle Fäden zusammenlaufen. Nämlich da, wo Hausärzte nicht weiterkommen, auch wenn sie es nicht zugeben wollen.“

Dass diese Arbeit von den Einwohner:innen in Luckau geschätzt wird, stellte der Bürgermeister der Stadt, Gerald Lehmann, dar. Er engagiert sich für die Sicherung der Finanzierung der CHN (Gemeindegesundheitspflegerin) in seiner Stadt und geht dabei auch ungewöhnliche Wege. Er sagt: „Wir wissen noch nicht, ob sich das alles etablieren wird, aber wir gehen einfach mal einen Weg – und genau davor haben wir oft Angst in unserer Gesellschaft.“ Auch wenn er anfangs Vorbehalte hatte, ist er inzwischen von dem Konzept überzeugt und erhält positives Feedback von seinen Bürger:innen.

Mit der Frage der Finanzierung einer CHN aus der Sicht einer gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse gab Yvonne Ehmen, Referatsleiterin Fachkräftesicherung beim AOK-Bundesverband, weitere Impulse. Sie machte deutlich, dass es bereits jetzt Finanzierungsmöglichkeiten gibt, räumte jedoch gleichermaßen ein, dass die gesetzliche Verankerung von CHN ein wichtiger Schritt sei. Aus ihrer Sicht sollte man CHN nicht als Kostenfaktor betrachten, sondern als Investition zur Kostensenkung und zur Verbesserung der Versorgung. Der Fokus müsse auf dem Ergebnis liegen!


Podiumsdiskussion mit (v. l.) Marc Elxnat, Elena Zarges, Tina Rudolph, Susanne Kluge, Gerald Lehmann und Corinna Petersen-Ewert.
Podiumsdiskussion mit (v. l.) Marc Elxnat, Elena Zarges, Tina Rudolph, Susanne Kluge, Gerald Lehmann und Corinna Petersen-Ewert.

Die Veranstaltung wurde abgerundet von einer Podiumsdiskussion, die zentrale Forderungen an die Politik für die Legislaturperiode 2025–2029 behandelte – insbesondere in Bezug auf die Gesundheitsversorgung, die Rolle der Pflege und im Besonderen die der CHN. Konsens bestand darin, dass Gesetzesinitiativen wie das Pflegekompetenzgesetz oder das APN-Gesetz dringend weiterverfolgt werden müssen. Insbesondere die CHN benötigt eine gesetzliche Verankerung, um eigenständig und umfassend handlungsfähig zu sein und um einen substanziellen Beitrag zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland zu leisten. Es bedarf pragmatischer Lösungen und eines neuen Denkens in der Versorgung. Um dies zu verwirklichen, sollte ein Dialog gefördert werden, um mögliche Vorbehalte gegenüber innovativen Ansätzen abzubauen und die Angst zu verringern, dass neue Lösungen etwas wegnehmen könnten. Diese Ansicht vertritt auch Tina Rudolph, Bundestagsabgeordnete in der Legislatur 2021–2025 und selbst Ärztin. Wir müssen „Grenzen aufbrechen“ und „mutig sein“, bekräftigte Petersen-Ewert.

Mit prägnanten Zusammenfassungen verabschiedeten Katja Vonhoff und DBfK-Präsidentin Vera Lux die Gäste der Tagung. „Wir haben ein Sozialsystem, das am Limit ist. Es soll mehr ambulant als stationär geleistet werden, und die Strukturen im ambulanten und Langzeitpflegebereich müssen gleichermaßen entwickelt und weiterentwickelt werden. Dafür brauchen wir dringend neue Rollen wie die CHN“, sagte Vera Lux. Es dürfe nicht nur darum gehen, Ärzt:innen zu entlasten. Vielmehr müsse eine gute Versorgung gewährleistet werden. Den professionell Pflegenden, die bereits jetzt mehr leisten könnten, als sie rechtlich und abrechnungstechnisch dürfen, müssten endlich die entsprechenden Kompetenzen zugestanden werden.

Die Präsentationen und die Aufzeichnung der Veranstaltung stehen demnächst unter www.dbfk.de/chn zur Verfügung stehen.

(RB)

DBfK-Präsidentin Vera Lux (r.) fasste mit Katja Vonhoff (l.), Leiterin des Robert Bosch Centrums für Innovationen im Gesundheitswesen, und Moderatorin Susanne Kluge die Erkenntnisse des Tages zusammen.
DBfK-Präsidentin Vera Lux (r.) fasste mit Katja Vonhoff (l.), Leiterin des Robert Bosch Centrums für Innovationen im Gesundheitswesen, und Moderatorin Susanne Kluge die Erkenntnisse des Tages zusammen.
DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper stellte zum Auftakt der Veranstaltung aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Gesundheitsversorgung dar.
DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper stellte zum Auftakt der Veranstaltung aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Gesundheitsversorgung dar.

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