22.09.2024
Ein persönlicher Blick auf die ostdeutschen Landtagswahlen 2024 von Geschäftsführerin Heike Prestin
Auch ich schaue besorgt auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und
Thüringen im September. Ich lebe in einem Dorf in Ostbrandenburg und kann nicht
verstehen, warum rund 30 Prozent der Wähler:innen bei der Europawahl
rechtsextrem gewählt haben. Auch mir machen die Prognosen für die
Landtagswahlen im Herbst Angst.
Trotzdem lebe ich gern dort. Ich mag die wortkargen Menschen, die Landschaft und den Pragmatismus. Ich verstehe einen Teil der Wut und auch die Resignation mancher Menschen, die viel diverser sind, als sie oft dargestellt werden. Ich bin selbst hier aufgewachsen, habe von der Wende profitiert und lebe inzwischen doppelt so lange in der Bundesrepublik wie früher in der DDR. Aber mich verletzen noch immer Geschichtserzählungen, die wir nur aus westdeutscher Perspektive sagen und nicht daran denken, dass ein anderes Wir bis 1990 und darüber hinaus andere Erfahrungen gemacht hat.
Das gilt auch für Pflegefachleute. Die Geschichte des Gesundheitssystems in der DDR, die Rolle unseres Berufs darin und die Abwertung von Qualifikationen nach der Wende sind vielen Menschen nicht bekannt. Dabei war die Entwicklung des Pflegeberufs in der DDR durchaus eine Erfolgsgeschichte und aus heutiger Sicht teils fortschrittlicher als das sektorengetrennte, arztabhängige System, das wir heute verändern wollen.
Nach der Wiedervereinigung haben viele Pflegefachpersonen in den neuen Bundesländern ihre Stellen verloren, da es ihre Abschlüsse im bundesdeutschen Recht nicht gibt. Eine Anerkennung ihrer beruflichen Fähigkeiten fand selten statt. Einen Berufsverband, der sich für ihre Rechte eingesetzt hätte, gab es nicht. Den DBfK in den ostdeutschen Ländern aufzubauen, ist auch deshalb bis heute eine Herausforderung, aber sie lohnt mehr denn je. Nicht nur gegen rechts, sondern auch für die Menschen, die hier schon jetzt oder in Zukunft Menschen pflegen.
Was braucht Ostdeutschland für die Pflege? Mehr Verantwortung, Selbstverwaltung, Akademisierung - all das, was wir überall in Deutschland fordern. Und das Zugeständnis, dass es gerade im Gesundheitssystem Bereiche gibt, an denen der Westen vom Osten etwas lernen kann.